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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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stiegen zwei Feuersäulen mit Fanfaren und Paukenschlägen auf beiden Seiten der Kosmetikspezialistin in die Höhe. Dies brachte ihr ein erstauntes Raunen des Publikums ein und schließlich einen tosenden Applaus, als die Flammen so schnell erloschen, wie sie in die Höhe geschossen waren, und die Musik mit einem Schlag verstummte. Emanuelle Lefèvre hielt einen goldfarbigen Tiegel wie eine Hostie in die Höhe.
    Â»Bonjour, mesdames.« Mit einem Schlag waren selbst die Frauen still, die vom Feuerwerk unbeeindruckt weitergequatscht hatten. »Ich bin Emanuelle Lefèvre und habe Ihnen etwas mitgebracht.«
    Die Pause war gerade lang genug, um wieder etwas Tuscheln aufkommen zu lassen.
    Â»Ewig jung, was für ein Traum! Ein Traum, meine sehr verehrten Damen, der jetzt für Sie Wirklichkeit werden kann. Die Geheimnisse der Pharaonen, in Vergessenheit geratenes Wissen der Perser, rituelle Salbungen der Massai, über Generationen nur an auserlesene Adepten weitergegebene Kenntnisse der Azteken, der Wissensschatz von Frauen, die in den düsteren Zeiten als Hexen verbrannt wurden, und das modernste Know-how der kosmetischen Wissenschaft vereinen sich zu ›Jeune‹ von Emanuelle Lefèvre.«
    Wieder reckte sie den Tiegel in die Luft, und die Frauen klatschten begeistert Beifall. Schlaicher hatte bis heute Morgen noch nie etwas von Emanuelle Lefèvre gehört, aber er wurde den Eindruck nicht los, dass diese Frau und ihre Kosmetiklinie dem weiblichen Geschlecht durchaus etwas sagten. Die Frauen um ihn herum waren wie Wachs in Lefèvres Händen, sie folgten ihren schmuckvollen Erläuterungen wie gläubige Katholiken dem Segen des Papstes. Schlaicher musste allerdings zugeben, dass die Show ihrem Namen alle Ehre machte, selbst dann noch, als nach dem pompösen Start etwas mehr Ruhe einkehrte. Wahrscheinlich wollte man den potenziellen Kundinnen das Gefühl geben, ein Teil des Ganzen zu sein. Schlaicher musste sich richtig zwingen, sich auch auf anderes zu konzentrieren. Er zwängte sich durch die Trauben von Frauen, was ihm immer wieder feindselige Blicke einbrachte, und positionierte sich schließlich am Rand des wildesten Geschehens. Vielleicht gab es Frauen, die den Moment ausnutzten, in dem sich alle anderen von der fast schon religiösen Preisung des Konsums hypnotisieren ließen. Aber so intensiv er sich auch umschaute, die Frauen waren von dem Versprechen, ewig jung bleiben zu können, wohl mehr angetan als von dem Drang, mal eben schnell ein Silberkettchen mitgehen zu lassen.
    Emanuelle Lefèvre rief gerade das Lefèvre’sche Zeitalter der ewigen Jugend aus, als Schlaicher Martina sah. Sie hatte sich umgezogen, trug nun eine unauffällige Jeans und eine Bluse, die ihr wirklich stand, das musste er zugeben. Die Erinnerung an die Zeit, als er ihre Kurven aus deutlich geringerer Entfernung hatte betrachten können, versetzte ihm einen Stich. Martina drehte sich wachsam um, als hätte sie gespürt, dass sie beobachtet wurde. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, in dem Schlaicher auch in ihren Augen etwas Wehmut zu erkennen glaubte, dann wandte sie sich ab und ging in eine andere Richtung fort. Er folgte ihr mit seinem Blick, verlor sie in der Menge jedoch schnell aus den Augen.
    Emanuelle Lefèvre referierte derweil über die Schönheitsideale der Zukunft und reckte zum Abschluss unter Nennung ihres Top-Produktes erneut beide Arme in die Höhe, was bei ihrem Publikum zu fast reflexartigem Jubel führte. Doch dann sah Schlaicher, dass sie leicht zusammenzuckte. Sie drehte sich kurz weg und griff sich an ihre goldfarbene Jacke.
    Schlaicher war nicht der Einzige, dem das auffiel. Auch viele der Frauen fragten sich, ob das eine besonders geschickte Einleitung des nächsten Showteils sein sollte, doch nur die Wenigsten bekamen mit, dass ihre leere Hand kurz in der Jackentasche verschwunden und genauso leer wieder herausgekommen war. Demnach war es doch kein Bestandteil der Show.
    Emanuelle Lefèvre ließ sich nichts anmerken. Ihre Stimme klang jedenfalls unverändert nach heilbringender Prophetin und liebender Herrscherin zugleich. »Und jetzt ist es gleich so weit. Mesdames, ich möchte Sie alle einladen, sich selbst davon zu überzeugen, dass ›Jeune‹ all das hält, was ich verspreche.« Wieder reckte sie die Arme hoch.
    Während das Publikum frenetischen Beifall klatschte, beobachtete

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