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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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er richtig gehört? Er schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.
    Â»â€¦Â gibt es keine Alternative …« Sie war wieder lauter geworden. Ihre Stimme klang eindringlich. »Ich werde Sie in Zukunft nicht weiter beliefern. Es ist aus.«
    Den letzten Satz hatte sie mit einem sehr endgültigen Unterton gesprochen. Schlaicher hatte das Gefühl, dass das Gespräch damit beendet war. Wenn sie jetzt um die Ecke kam, um wieder zu ihrer Show zurückzukehren, würde sie bemerken, dass er sie belauschte. Er schlich darum ein paar Meter zurück und ging ganz normal auf die Ecke zu, wo er mit Emanuelle Lefèvre fast zusammenstieß.
    Â»Oh, ich dachte, Ihre Show läuft gerade?«, sagte Schlaicher.
    Sie schaute ihn mit einer Mischung aus Sorge und Feindseligkeit an. »Ich denke, ich muss Ihnen über das Konzept meiner Shows keine Rechenschaft ablegen«, gab sie nach einer Sekunde Pause zurück.
    Â»Ich wollte nur nett sein«, sagte Schlaicher im Weitergehen. Er spürte ihren Blick in seinem Rücken und ging zielstrebig auf das Büro der Kaufhausdetektive zu.
    * * *
    Irfan saß in einer Kammer, die vormals wohl einem Knecht als Unterkunft gedient hatte. Sie unterschied sich gar nicht so sehr von dem Gästezimmer bei den Verwandten seiner Frau in der Türkei, nur dass hier ein schmales Einzelbett stand. Die Tapeten waren schlicht, auf dem Boden lag ein abgelaufener Teppich, die beiden Bilder an der Wand zeigten Szenen des Bauernlebens, die Decke war niedrig und das Fenster, das auf die weiten grünen Wiesen und den Wald hinausging, winzig. Es machte ihm nichts aus, in dieser Kammer schlafen zu müssen, die vom langen Nichtgebrauch muffig roch wie eine einstmals verschwitzte Socke, die seit einer Woche ungewaschen herumlag. Es störte ihn auch nicht, dass er hier mit Menschen zusammenlebte, die er weder kannte noch unbedingt kennen wollte. Es war ein Job. Sein letzter, wie er hoffen durfte. Onkel Umut war ein strenger Mann, aber er war auch gütig. Und er hatte Irfans Bitte, sich aus dem Geschäft zurückziehen zu dürfen, zwar keine gesteigerte Freude entgegengebracht, seinem Vorhaben nun aber endlich doch zugestimmt, vorausgesetzt, dass er die Sucuk wiederbeschaffte. Inschallah.
    Was Irfan störte, war die Einsamkeit, die er empfand. Er hatte seine Frau Gülcan und seine beiden Töchter Tüley und Jasmin, die er vergötterte. Möge Allah den Jungs gnädig sein, die mehr als ein Auge auf sie warfen. Irfan hatte sich geschworen, ein moderner Vater zu sein, seinen Kindern Freiraum zu geben. Aber das hieß nicht, dass es ihm nicht missfiel oder leicht von der Hand ging, seine Töchter so westlich geprägt zu sehen. Am liebsten hätte er sie eingesperrt. Was brauchten die Mädchen Schule und Freizeit, wenn sie es doch zu Hause am besten hatten? Aber er zwang sich immer wieder, seinen Töchtern zu vertrauen und sie ihren eigenen Weg finden zu lassen. Tüley war jetzt fünfzehn Jahre alt, Jasmin dreizehn. Beide interessierten sich noch nicht für Jungs, sondern trafen sich nur mit ihren Freundinnen, um Mädchensachen zu machen. Aber es war Irfan klar, dass das nicht mehr lange so bleiben würde. Er hatte Gülcan geheiratet, als sie gerade achtzehn Jahre alt geworden war. Eine Ehe, die die Familie ausgehandelt hatte. Dabei hatte er großes Glück gehabt. Das Mädchen, das er am Flughafen in Empfang nahm, hatte zwar einen bis zum Boden reichenden Mantel getragen, trotzdem merkte er ihr gleich an, dass sie schön sein musste. Und sie war tatsächlich eine Schönheit. Er trug sie auf Händen, seit sie verheiratet waren.
    Irfan nahm sein Handy und rief zu Hause an.
    Â»Hallo?«
    Â»Jasmin, mein Mücevher .«
    Â»Baba! Wo bist du?«
    Es tat so gut, ihre Stimme zu hören, ihre Freude, den Vater zu sprechen.
    Â»Ich muss arbeiten. Ist Annen da?«
    Â»Ja, ich hole sie. Wann kommst du zurück?«
    Â»In ein paar Tagen. Habt ihr die Mathe-Arbeit zurückbekommen?«
    Jasmin schwieg einen kleinen Moment, und Irfan sah vor seinem inneren Auge, wie sie da am Telefon stand, dieses leichte Wippen in ihrer Hüfte, wenn Sie etwas nicht sagen wollte.
    Â»Ich habe eine vier.«
    Irfan wusste, dass er jetzt streng sein musste, obwohl das Gefühl der Liebe zu seiner Tochter ihn durchflutete. »Das ist nicht gut.«
    Â»Ja, ich weiß.«
    Â»Du hast nicht genug

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