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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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Schlaicher, dass Emanuelle Lefèvre sich an Mathilde und die J-Mädchen wandte. Er registrierte überraschte Blicke, dann eine schnelle Geste der Lefèvre und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Schließlich wandte sich Emanuelle Lefèvre wieder an ihr Publikum. Sie ging auf die vorderste Reihe zu. Eine Welle der Unruhe ging durch die Frauenmenge, als witterten Schafe ein Rudel Wölfe. Gelassenen Schrittes machte sie eine Geste wie Moses beim Teilen des Roten Meeres. Tatsächlich wichen die Frauen ehrfürchtig zur Seite und machten der Prophetin der Schönheit Platz, die mit erhobenem Haupt durch die entstandene Gasse stolzierte. Etwa in der Mitte angekommen gar nicht weit von Schlaicher entfernt, blieb sie stehen und zeigte stumm auf eine Frau.
    Â»Ich?«, rief die etwa Fünfzigjährige jubelnd und kämpfte sich an ihren ihr ungläubig und überrascht gratulierenden Freundinnen vorbei zu ihr durch.
    Â»Kommen Sie, meine Liebe, kommen Sie«, sagte Emanuelle Lefèvre ins Mikrofon. Als die Gewinnerin endlich bei ihr ankam, erhielt sie zur Begrüßung von der Kosmetikchefin drei Küsse auf die Wangen.
    Â»Ausgerechnet die Tamara«, hörte Schlaicher eine Frau missmutig sagen. Offenbar freuten sich doch nicht alle ihre Freundinnen so für sie, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. »Als hätte die es nötig«, meinte eine andere.
    Schlaicher ging zwischen den Schmuckauslagen hindurch weiter nach hinten und wandte sich dann nach links in Richtung des Haupteingangs, um über diesen Umweg vielleicht etwas näher an die Bühne zu gelangen. Er bekam mit, dass die Frau eine Probebehandlung gewonnen hatte. Sie würde sich gleich auf die Liege legen und in einer halben Stunde fünfzehn Jahre jünger aussehen. Zumindest versprach Emanuelle Lefèvre ihr und dem immer neugieriger werdenden Publikum genau das.
    Zwei der J-Mädchen bereiteten die Gewinnerin für die Behandlung vor. Die anderen bewaffneten sich mit vorbereiteten Körbchen und stießen auf Lefèvres Geheiß in die Menschenmenge vor, um winzige Pröbchen unter den Anwesenden zu verteilen. Schlaicher schätzte, dass sich gut achthundert Frauen vor dem Stand drängten und versuchten, ein Tiegelchen der Kosmetik zu erhaschen, die ja wirklich etwas Besonderes zu sein schien, bei dem Umtrieb, der hier herrschte. Ab und zu gab es einen glücklichen Schrei, wenn eine Frau ein Pröbchen »Jeune« ergattert hatte. Ein Milligramm ewiger Jugend.
    Als Schlaicher an der Seite der Bühne ankam, von der aus man zwar weniger sehen konnte, an der es dafür aber nicht so ein Gedränge gab, wurde ihm klar, warum die Frauen so verrückt spielten. In einer Auslage, verschlossen unter Glas, standen ein paar Tiegel des Wundermittels, das Lefèvre so anpries. »Die wertvollste Kosmetik der Welt«, stand auf einem Banner, ein etwas kleineres Schild daneben zeigte an, dass es »Jeune« heute zu einem Sonderpreis gab. Statt der normalen fünfhundertneunundachtzig Euro für zwanzig Gramm der Creme – die Zahl war durchgestrichen – wurde heute ein Angebot von vierhundertachtundneunzig Euro beworben. Schlaicher schluckte.
    Â»Ganz schön teuer, was?«, raunte eine sehr helle Stimme in sein Ohr. Sie gehörte Weng Kirchhoff. Auch sie hatte sich umgezogen und trug nun fast die gleiche Kleidung, wie Schlaicher sie vorher an Martina gesehen hatte.
    Â»Nichts für unseren Geldbeutel, würde ich meinen«, antwortete er.
    Sie schaute ihn aus ihren tiefdunklen Augen prüfend an und sagte: »Martina hat viel von Ihnen gesprochen.«
    Dieser Satz saß wie ein Schlag in die Magengegend.
    Â»Ich bin nicht so schlimm, wie sie erzählt«, gab Schlaicher mit einem Kloß im Hals zurück.
    Â»Ich habe nicht gesagt, dass sie Schlechtes über sie redet«, antwortete Weng Kirchhoff und wandte sich von Schlaicher ab. In Bruchteilen von Sekunden war sie geschmeidig zwischen den umstehenden Frauen verschwunden.
    Schlaicher stand fast regungslos da. Was hatte die junge Frau damit gemeint, warum hatte sie ihn angesprochen?
    Martina redete also nicht schlecht von ihm. Hieß das, sie redete gut von ihm? Auf jeden Fall hatte sie ihn Weng gegenüber erwähnt. Lag Martina noch etwas an ihm?
    Die Gewinnerin der Behandlung hatte sich mittlerweile auf der Liege ausgestreckt und war mit der Samtdecke bis auf das Gesicht zugedeckt worden. Ein warmes

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