Salamitaktik
wollte Mario schon stoppen, doch der ergänzte bereits: »Mein Bekannter wohnt in Schönau und ist von Beruf Herrenschneider. Ist er das?«
Irfan atmete beruhigt aus. Er ahnte nun, was Mario vorhatte. Offenbar hatte seine Drohung vorhin im Auto gewirkt. Zum ersten Mal, seit sie den Koffer suchten, dachte der Junge mit.
»Nein, der den ich kenne, wohnt in Maulburg. Und Kleider machen kann er bestimmt nicht. Aber darauf aufpassen. Er ist von Beruf so eine Art Detektiv. Bringt alle Verbrecher ins Gefängnis.«
»Ach so, nein, den kenne ich nicht.«
»Das war gut«, sagte Irfan, als sie wieder im Wagen saÃen.
»So wissen wir, dass es wirklich der Gleiche ist, ohne zu viel verraten zu haben«, meinte Mario stolz.
»Wir wissen jetzt aber auch, dass der Typ mit einem Kommissar befreundet ist und selbst wohl als Detektiv arbeitet. Wir sollten uns dieses Mal also gut vorbereiten, bevor wir hinfahren. Ich möchte kein weiteres Risiko eingehen.«
7
Die Ladies Night war trotz des Vorfalls während der Lefèvre-Show weitergegangen und hatte sich zumindest für Gampp nicht zu einer solchen Katastrophe entwickelt, wie dieser zunächst lautstark befürchtet hatte. Zwar waren viele Frauen nach der missglückten Show gegangen, doch mit den Einnahmen hatte sich Gampp am nächsten Morgen insgesamt zufrieden gezeigt.
Schlaicher hatte den Vormittag damit verbracht, die relativ vereinzelt aufgetretenen Diebstähle zu dokumentieren. Auf der einen Seite war es natürlich erfreulich, dass offenbar weniger als sonst gestohlen worden war, auf der anderen Seite machte dies Schlaicher möglicherweise irgendwann überflüssig. Umso wichtiger war es, dass die neuen Kameras ordentlich funktionierten. Schlaicher hatte Lutz darauf angesetzt, die noch nicht ausgewerteten Aufnahmen zu sichten.
Wer die Nachricht als Erster in den Laden gebracht hatte, wusste Schlaicher nicht, aber sie sprach sich herum wie ein Lauffeuer: Die Frau, die Emanuelle Lefèvre mit »Jeune« behandelt hatte, war gestern Abend gestorben. Schlaicher hörte es von einer Verkäuferin, die es wiederum von jemandem aus dem Lager erfahren haben wollte. Kurz darauf kam auch Lutz bei Schlaicher vorbei und berichtete ihm dasselbe. Schlaicher wusste, wie schnell sich Gerüchte verbreiteten. Irgendjemand hoffte im Gespräch, die Frau werde nicht sterben. Jemand anderes verstand das falsch und gab der Geschichte noch etwas Würze hinzu, und plötzlich war jemand tot, der sich vielleicht schon längst wieder auf dem Wege der Genesung befand. Wenn es nur ein Gerücht sein sollte, war es jedenfalls ein verdammt hässliches. Schlaicher beschloss, sich Gewissheit über den Wahrheitsgehalt zu verschaffen. Er schickte Lutz zurück in den Videoraum und machte sich auf den Weg zu Gampps Büro.
Der Karstadt-Chef stand an seinem Fenster und schaute regungslos hinaus, als Schlaicher eintrat. Aber Gampp war nicht allein. In dem Sessel, in dem Schlaicher vor zwei Tagen gesessen und Gampp wegen Lutz angelogen hatte, saà eine voluminöse Gestalt. Schlaicher hatte Kommissar Schlageter oft genug gesehen, um ihn allein an seinem handtellergroÃen Glatzenstück am Hinterkopf erkennen zu können. Beide Männer drehten sich zu Schlaicher um. Gampps Blick war starr, in dem von Schlageter lag eine Mischung aus Ãberraschung und Missmut.
»Es geht gerade nicht, Herr Schlaicher«, sagte Gampp, doch Schlageter widersprach: »Entschuldigen Sie bitte, Herr Gampp, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, kann Schlaicher gerne bleiben. Ich hätte ihn ohnehin noch sprechen wollen.«
Gampp zögerte nur einen Moment, dann wies er auf den freien Gästestuhl und blickte über die beiden Besucher in seinem Büro hinweg.
»Im Kaufhaus geht das Gerücht herum, dass die Frau von gestern gestorben sein soll«, brachte Schlaicher hervor und fügte hinzu: »Dass Sie da sind, Herr Kommissar, lässt mich glauben, es sei etwas Wahres an der Sache dran.«
»So ist es«, sagte Schlageter.
»Und Sie ermitteln?«
Schlaicher achtete genau auf Schlageters Reaktion. Der setzte ein gelangweiltes Gesicht auf und sagte sehr ruhig: »Reine Routine bei einem Todesfall, der als nicht natürlich deklariert wurde.«
Er kannte den Kommissar mittlerweile gut genug, um ihn einigermaÃen einschätzen zu können. Schlageter war ein im Grunde lieber Kerl, allerdings ein Hitzkopf. Schon ein
Weitere Kostenlose Bücher