Salamitaktik

»Das ist er. Der Ältere.«
    Â»Woher willst du das wissen?«
    Â»Ich habe Bilder von ihm im Internet gesehen.«
    Es dauerte nur eine halbe Minute, bis in den obersten Fenstern unter dem Dach ein Lichtschein anzeigte, dass dieser Schlaicher wohl dort wohnte.
    Â»Und jetzt? Gehen wir rein?«, fragte Mario.
    Â»Ich würde ihn mir lieber vornehmen, wenn er allein ist«, antwortete Irfan.
    Kurz darauf hielt noch ein Wagen an dem Haus, ein kleiner Peugeot, aus dem zwei wirklich gut aussehende Frauen stiegen. Mario und Irfan starrten sie an. Als die beiden sie bemerkten, gaben sie vor, im Auto nach etwas zu suchen, bis die Frauen durch die Tür verschwunden waren.
    Â»Da kommt einer«, sagte Irfan direkt im Anschluss und zeigte nach vorn.
    Sie parkten vor einer Scheune, an die ein Haus mit einer außen angelegten Treppe grenzte. Die stieg gerade ein etwa fünfundsechzig Jahre alter Mann mit Vollbart herab, der einen gehörigen Bierbauch vor sich hertrug. Der Mann schaute auf ihren Wagen und ließ ihn nicht aus dem Blick, sondern marschierte schnurstracks auf sie zu.
    Â»Lass mich reden«, sagte Irfan und ließ mit den Knöpfen an seiner Armlehne Marios Seitenscheibe herab.
    Â»Noobe middenand. Darf mr frooge, was ihr do mached?«
    Â»Bitte?«
    Â»Ob mr frooge dürfi, was ihr do mached?«, wiederholte der Mann. Mario merkte, dass Irfan ihn offenbar überhaupt nicht verstand.
    Â»Er fragt, was wir hier machen«, übersetzte er.
    Â»Dürfen wir hier nicht stehen?«, fragte Irfan, ohne die Frage zu beantworten.
    Der Mann überlegte kurz und sagte: »Vo mir uss chönned Ihr jo scho do schdoo, aber ihr mached doch öbbis, verdooria? Dr Laade’n’isch zue, wenns daas isch.«
    Â»Danke schön«, sagte Irfan und nickte lächelnd. Nein, der Türke verstand kein Wort. »Wir müssen aber sowieso gleich weiter.« Er ließ die Scheibe hochfahren, was von dem Mann mit einem Klopfen an dieselbe quittiert wurde. Irfan reagierte nicht darauf, sondern startete den Motor, doch das Klopfen wurde stärker, sodass Mario sein Knöpfchen in der Armlehne drückte, um das Fenster einen Spalt zu öffnen.
    Â»Wo geht es nach Rheinfelden?«, fragte er den Mann, der vermutlich etwas anderes hatte sagen wollen, nun aber innehielt und erwiderte: »Aha, do wännd’r aane. Also, do über Adelhuuse. Drnoo chönned’r über Eichsel duurab oder Meisele.«
    Â»Vielen Dank«, sagte Mario, während Irfan schon anfuhr.
    * * *
    Dr. Watson kriegte sich gar nicht mehr ein, seit Martina kurz nach seinem Herrchen durch die Tür getreten war. Der Basset, sonst doch eher gemächlich unterwegs, sprang an ihr hoch und ließ sich durch nichts davon abbringen, seiner Freude durch lautes, tiefes Bellen Ausdruck zu verleihen. Martina konnte gar nicht anders, als den Hund an den schweren Ohren zu packen und diese zu kneten, was Dr. Watson schließlich beruhigte und ihm ein wohliges Grunzen entlockte. Schlaicher stand etwas benommen an der Tür und begrüßte Weng, die diese Begrüßungsszene offenbar sehr lustig fand. Lutz stand etwas abseits und fuhr sich durch die Haare. Schlaicher wettete, dass er gerade bereute, sie nicht gewaschen zu haben.
    Â»Hallo, Rainer«, sagte Martina endlich, als sie sich von Dr. Watson abwandte, was diesen erneut dazu veranlasste, zu bellen und mehr Streicheleinheiten einzufordern.
    Â»Hallo. Das ist aber echt eine ziemliche Überraschung.«
    Â»Und zwar eine, die schöner nicht sein könnte«, beeilte sich Lutz zu sagen. Das hätte ja ausnahmsweise mal gut geklungen, wenn er nicht außerdem angefügt hätte: »Zwei sexy Bienen für zwei coole Hornissen.«
    Â»Wenn er jetzt noch was von seinem Stachel sagt, bringe ich ihn um«, bemerkte Weng, während sie an Schlaicher vorbeiging. Das wirkte. Lutz sagte nichts mehr, sondern holte zwei zusätzliche Gläser aus dem Küchenschrank.
    Â»Wer parkt denn da beim Erwin an der Scheune?«, fragte Martina, die Schlaichers ausgestreckte Hand geflissentlich übersah.
    Â»Keine Ahnung. Vielleicht jemand von seinem Club.«
    Â»Was für ein Club?«
    Â»Er hat einen Vollbartverein gegründet«, erklärte Schlaicher.
    Â»Die Typen in dem BMW hatten aber keine Bärte.«
    Es war die Nennung des Markennamens, die Schlaicher plötzlich unruhig werden ließ. Er ging in sein Schlafzimmer,