Salamitaktik
zum zweiten führte der Wechselkurs zu einer wundersamen Geldvermehrung, und zum dritten erhielt man in den Läden die sogenannten »grünen Zettel«, mit denen man sich am Zoll die Berechtigung zur Mehrwertsteuerrückerstattung geben lassen konnte. Während der Schweizer Einzelhandel mittlerweile fast kämpfen musste, waren die Geschäfte in Südbaden voll. Und gerade an Samstagen bildeten sich vor den kleineren Grenzübergängen zurück in die Schweiz oft gröÃere Staus.
Eines der Zentren des Schweizer Einkaufs war Weil am Rhein, wo man sich im Ortsteil Friedlingen, direkt an der Grenze, gut auf die Besuche der Nachbarn eingestellt hatte. Schlaicher war darum froh, als er abbiegen konnte und nun in Richtung des Weiler Hafens fuhr, wo wieder entsprechend weniger Verkehr herrschte. Er bog auf das Hafengelände, orientierte sich aber nicht in Richtung des Lagers von Emanuelle Lefèvre, sondern parkte auf dem Kundenparkplatz einer anderen Firma. Da noch genügend Plätze frei waren, ging er davon aus, dass man ihn nicht abschleppen würde. Im schlimmsten Fall würde es einen Zettel geben oder einen Pförtner, der bei seiner Rückkehr schimpfte. Da Schlaicher ohnehin nicht vorhatte, lange zu bleiben, wäre das schnell durchgestanden.
Er spazierte in Richtung des Lefèvre-Lagerhauses, wo er bereits von Weitem den dunkelgrünen Jaguar vor dem Haupteingang stehen sah. Sie war also da. Als Nächstes wollte er kontrollieren, ob auch noch jemand anderes hier war.
Schlaicher ging an dem Gebäude vorbei und schaute auf die hintere Parkfläche. Da stand er: der dunkle BMW . Nur dass dieses Mal keiner drinsaÃ. Er beschloss, sich den Wagen genauer anzuschauen, und näherte sich ihm, indem er ziemlich nahe an der Wand blieb. Die wenigen Fenster an dieser Seite des Gebäudes waren ziemlich verschmutzt, trotzdem duckte er sich leicht beim Vorbeigehen. Am dritten Fenster blieb er stehen und schaute hinein. Der Blick ging in den Lagerbereich, allerdings gab es nichts weiter zu sehen als ein vollgepacktes Regal. Schlaicher setzte seinen Weg zum Wagen fort. Das Kennzeichen war aus Frankfurt. Er konnte sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, dass das ein Zufall sein sollte.
Schlaicher merkte sich das Nummernschild. Ein Blick ins Wageninnere brachte nicht viel. Im FuÃraum lag eine Plastikflasche Wasser, ansonsten sah bis auf den geöffneten und mit einer Unzahl von Kippen gefüllten Aschenbecher alles aufgeräumt und sauber aus.
Vom Wagen aus waren es höchstens noch zehn Meter bis zum Ende der Halle. Er musste sich also gerade ziemlich in der Nähe des abgetrennten Bereiches befinden. Schlaicher stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick durch das letzte Fenster werfen zu können â und tatsächlich gab es von diesem Standort aus etwas mehr zu sehen. Vor sich sah Schlaicher die PackstraÃe, die heute offenbar nicht besetzt war. Dahinter machte er die Treppe aus, die nach oben führte, und rechts darunter die Tür, die in den hinteren, abgeschlossenen Bereich führte. Schlaicher nahm den Rucksack vom Rücken und holte eine der Kameras heraus.
Seine Idee war so einfach wie genial. Wenn diese Kameras schon die totale Ãberwachung ermöglichten, brauchte er sie nur hier anzubringen und konnte im Anschluss gemütlich von zu Hause am Computer aus beobachten, was sich am Wochenende in der Lagerhalle tat. Oder sogar über sein Handy einen Blick hineinwerfen. Im Karstadt hatten sie die Kameras sicherheitshalber verkabelt. Damit man nicht Gefahr lief, dass die Batterien irgendwann ausfielen. Die Steuerung funktionierte so auÃerdem schneller und präziser. Aber die Kameras konnten auch kabellos senden und empfangen. Das kostete zwar mehr Energie, würde aber vermutlich trotzdem lange genug funktionieren.
Schlaicher hatte anstelle der automatischen Diebstahlerkennung nur den zugrunde liegenden, sehr einfachen Bewegungsmeldermodus aktiviert und reckte sich nach oben, um einen guten Platz für die Kamera zu finden. Am Fensterrahmen gab es eine glatte Fläche, die geeignet war. Er hatte daheim ein neues Klebepflaster aufgebracht und zog nun die Schutzfolie ab. Dann brauchte es nur noch einen Handgriff und etwas Druck, um die Kamera zu befestigen. Sie war zwar mit den Batterien nicht so klein, wie sie in der zweiten Generation wahrscheinlich sein könnte, aber wenn man nicht bewusst auf das Fenster schaute, würde
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