Salamitaktik
geschlossen war. Weil sein Mercedes noch beim Griechen parkte, Schlageter aber unbedingt seinen eigenen Wagen nehmen wollte, mussten sie zuerst mit Helbachs Karre nach Haagen fahren und dann wieder zur Direktion, wo Helbach umstieg. Nun konnten sie endlich los zum Haus der Brockmanns.
*Â *Â *
Schlaicher hatte nicht gut geschlafen. Wenn er nicht gerade an Martina gedacht hatte, war ihm das Geheimnis um die Lefèvre und um den vermeintlichen Mord durch den Kopf gegangen. Ihm wurde immer bewusster, dass Martina ihm noch sehr viel bedeutete. Sie wieder in seiner Wohnung gesehen zu haben, erinnerte ihn an die Zeit, in der sie nahezu hier bei ihm gelebt hatte, an die glücklichen Momente, morgens neben ihr aufzuwachen, die gemeinsam verbrachten Abende, leidenschaftliche Küsse und mehr. Manchmal hatte er einfach nur wach dagelegen, den Kopf ganz nah an die Stelle zwischen ihrer Schulter und ihrem Hals gelegt und an ihr gerochen. Das war das Paradies.
Schlaicher war zweimal aufgestanden und hatte schlieÃlich sogar ein Glas Rotwein getrunken. Aber auch der hatte ihn nicht müde gemacht. Stattdessen war er ins Grübeln gekommen. Es war klar, dass mit der Lefèvre etwas nicht stimmte. Es war auch klar, dass er wirklich mehr als versucht war, das Geheimnis dieser Frau aufzudecken. Zumal er nur zu gern gewusst hätte, was das für Männer gewesen waren, die erst bei ihr am Lager im Auto gesessen hatten und dann vor seinem Haus. Das lieà auf eine Gefahr schlieÃen, die mit seinem Interesse an der Lefèvre auf ihn übergangen war. Erst als er beschlossen hatte, sich am nächsten Tag noch einmal vor Ort umzusehen, war er schlieÃlich eingeschlafen.
Am Morgen sah die Welt irgendwie viel besser aus. Die Sonne schien in die Wohnung hinein, Schlaicher frühstückte zum ersten Mal in diesem Jahr auf seinem Balkon, und auch Dr. Watson bekam eine dick mit Leberwurst beschmierte Scheibe Brot â die absolute Lieblingsspeise des Bassets. Schlaichers nächste Aufmerksamkeit galt der Badischen Zeitung. Natürlich schlug er zuerst die Seite mit den Nachrichten aus Lörrach auf. Und da stand es auch schon: »Unfall beendet Ladies Night« war der Titel des Vierspalters. Darunter stand: »Frau stirbt nach allergischem Schock / Veranstaltung soll weitergeführt werden.« Schlaicher erfuhr nicht sonderlich viel Neues, auÃer dass die Tote eine Lörracher Bürgerin war. Ob die Lefèvre das so hingedreht hatte, oder ob die Zeitung von sich aus auf die Nennung des Markennamens verzichtete, wusste Schlaicher nicht. Es war immer nur die Rede davon, dass die Frau »im Rahmen einer Vorführung wahrscheinlich auf Inhaltsstoffe einer Creme allergisch reagierte«. Dies habe ein Sprecher der Polizeidirektion Lörrach bestätigt. Ein paar Kundinnen wurden in dem Artikel zitiert, »furchtbare Sache« und »ganz schrecklich« waren beliebte ÃuÃerungen. Auch Gampp kam zu Wort, der seine groÃe Bestürzung kundtat und »tausende Kundinnen« beruhigen konnte, dass es die Ladies Night als Service des Karstadt Warenhauses auch weiterhin geben werde.
Schlaicher war fast ein wenig enttäuscht, dass kein Wort darüber in der Zeitung stand, dass die Polizei in einem Mordfall ermittelte oder wenigstens prüfte, ob es andere Hintergründe als die Allergie geben könnte. Aber womöglich hatte Schlageter dem Pressesprecher untersagt, dies an die Presse weiterzugeben, weil zu viel Aufmerksamkeit die Ermittlungen gestört hätten.
Das Leberwurstbrot war ein Fehler gewesen. Dr. Watson saà nun die ganze Zeit bettelnd neben ihm. Dem Hund etwas zu geben, brachte keine Ruhe, sondern lieà ihn eher noch mehr erwarten. Dabei hatte er schon einen vollen Napf verschlungen. Schlaicher reichte ihm trotzdem den Rest seines Brotes, weil er das Gefühl hatte, seinen Hund in letzter Zeit etwas vernachlässigt zu haben. Zum Glück hatte Erwin, seit er seinen Laden schlieÃen musste, mehr Zeit und ging regelmäÃig mit ihm raus. Dr. Watson brauchte den Auslauf, und Erwin tat es auch gut, sich etwas zu bewegen. Dass sein Nachbar jetzt einen Schlüssel für die Wohnung besaÃ, führte zwar dazu, dass er manchmal unangekündigt vorbeikam, es lieà Schlaicher aber gleichzeitig etwas mehr Freiraum für seine Geschäfte. Er musste nicht ständig schauen, dass er zu Dr. Watsons Gassizeiten zu Hause war.
Die Morgenrunde blieb
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