Salamitaktik
den Dietrich also an und versuchte, möglichst so zu stehen, dass es den Eindruck erweckte, als würde er einen ganz normalen Schlüssel benutzen. Es dauerte knapp zwanzig Sekunden, also bedeutend länger als ein echter Schlüssel, bis er neben dem leisen Summen des Geräts das Klicken hörte, das ihm zu verstehen gab, dass das Schloss sich öffnete. Er zog die Tür gerade so weit auf, dass er hindurchhuschen konnte, dann brauchten seine Augen einen Moment, um sich an die Lichtverhältnisse im Inneren der Halle anzupassen.
Sein erster Blick galt einer Deckung, wovon es zum Glück ziemlich viel gab. Er beeilte sich, die offene Fläche bis zum nächststehenden Hochregal zu überwinden, und blieb erst einmal hinter einigen groÃen Kisten stehen. Wenn er um das Regal herumschaute, konnte er zwar nicht die Treppe sehen, aber die Galerie mit ihren ausladenden Fensterscheiben. Es stand niemand an den Fenstern. Doch! Jetzt trat eine Gestalt an das zweite Fenster. Das war das Büro von Emanuelle Lefèvre. Schlaicher zog den Kopf ein, spähte aber trotzdem weiter. Wenn er jetzt entdeckt würde, wäre er blitzschnell wieder aus dem Gebäude heraus.
Die Person war eindeutig männlich und besaà dunkles Haar. Er blickte in die Halle, zeigte aber keine Reaktion. Das Gesicht konnte Schlaicher nicht erkennen, dafür war die Entfernung zu groÃ, und auch die Lichtverhältnisse stimmten nicht. Der Mann drehte sich schlieÃlich um und verschwand langsam aus seinem Blickfeld. Er schien Schlaicher nicht bemerkt zu haben.
Schlaicher entschied, es jetzt zu wagen. Regal um Regal rückte er weiter vor und nahm sich ab und zu die Zeit, nach oben zur Galerie zu spähen. Doch je weiter er sich der Treppe näherte, umso steiler wurde der Winkel. Schlaicher würde den Mann erst sehen, wenn er bereits direkt an der Scheibe angekommen wäre.
Eigentlich war er davon ausgegangen, dass es in einem Lagerhaus für Kosmetik nach Rosencreme duftete, doch hier roch es nach alten Holzpaletten, Ãl und Plastik. An einer Reihe von Regalen, die nahezu leer waren, blieb er erneut stehen. Für Schlaicher bedeutete die fehlende Deckung zum Glück kein Problem mehr, weil ihn der Mann hier nur noch sehen könnte, wenn er ganz vorne an der Brüstung der Galerie stehen würde. Das Fenster war bereits auÃer Sicht.
Da er sonst nirgends jemanden bemerkt hatte, lief Schlaicher aufrecht weiter und machte erst wieder an der Tür zu dem geheimen hinteren Bereich halt. Ab jetzt würde er im Fall einer Entdeckung nur noch einen geringen Vorteil haben. Die anderen mussten noch die Treppe runterkommen, aber das verschaffte ihm nicht viel Vorsprung. Zudem war er nicht der beste Läufer. Schlaicher schaute sich die Metalltür an, an der er stand. Sie war breit genug, um einen Hubwagen bequem hindurchsteuern zu können. Seinen elektronischen Dietrich konnte er getrost im Rucksack lassen, denn diese Tür hatte ein deutlich besseres Schloss und war auÃerdem durch eine Zahlenkombination geschützt, wie ihm das Tastenfeld an der rechten Wand neben der Tür zeigte. Sicherlich war es ein vierstelliger Code. Das wäre die gängige Ausführung. Aber da er die Zahlen nicht kannte, brauchte er gar nicht versuchen, den Dietrich einzusetzen. Sicherlich wäre das keine Sache von dreiÃig Sekunden, sondern würde eher zehn Minuten dauern. Wenn er es überhaupt hinbekam.
Auf der linken Seite gab es unter der Galerie noch eine weitere Tür. Schlaicher machte sich vorsichtig auf den Weg. Sehen konnte ihn jetzt niemand, also ging er aufrecht, allerdings bedacht darauf, die FüÃe möglichst leise aufzusetzen. Seine Sohlen führten nämlich zu einem leichten Quietschen auf dem Boden, das ihm in seiner Aufregung ziemlich laut vorkam.
Die andere Tür verfügte nicht über ein Zahlenfeld. Und sie war offen. Schlaicher schob sie sehr vorsichtig auf, um bei einem Knarren schnellstmöglich einhalten zu können, aber die Tür saà in geölten Angeln. Er spähte hindurch und sah, dass sie nicht in einen geheimnisvollen Raum führte, sondern in einen Flur, von dem aus die Mitarbeiter zu den Toiletten, Duschen und Sozialräumen gelangten. Mitarbeiter waren zum Glück keine da, allerdings entdeckte er eine weitere verschlossene und mit einem Zahlenschloss versehene Tür, die ebenfalls aus Metall war. Ein zweiter Eingang in den geheimen Bereich. Diese
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