Salomos letzte Geliebte
»Hast du denn keine Idee, John Sinclair? Du enttäuschst mich.«
»Ein Land in Arabien oder in Afrika.«
»Schon besser.«
»Wo genau?«
»Arabien.«
Da war ich zwar einen Schritt weiter gekommen, aber keinen großen, und das sagte ich ihr auch. Doch die Frau machte es mir nicht einfach. Sie schien Rätsel zu mögen und meinte: »Schau dich um und sage mir dann, was du siehst.«
»Ein Lager. Menschen, die aufladen und sich im Aufbruch befinden, um eine große Reise zu unternehmen.«
»Ja, das war schon gut«, lobte sie mich. »Nur möchte ich es genauer haben.«
Ich ahnte zwar etwas, doch ich verspürte keine große Lust, das Spiel mitzumachen, und ich wollte ihr die Erklärung überlassen, die auch nicht lange auf sich warten ließ.
»Saba«, flüsterte sie mir zu.
Ich war nicht mal überrascht. Gewisse Hinweise hatte ich schon erhalten, und wer Saba sagte, der dachte automatisch an deren geheimnisvolle Herrscherin, die Königin von Saba, die mit ihrem großen Gefolge den berühmten und weisen König Salomo besucht hatte. Es war, den Überlieferungen zufolge, ein großer Tross gewesen, und wenn ich mich umschaute, nährte das Bild meinen Verdacht.
»Die Königin?«, fragte ich.
»So ist es.« Die Exotin lächelte. »Sie will sich auf den Weg machen, um den großen Salomo zu besuchen. Zusammen mit ihren Streitern und zahlreichen Geschenken. Sie wird ihm die Augen öffnen für die Schätze dieses Reiches. Sie wird ihm das Gold zu Füßen legen, und beide werden eine wundervolle und wundersame Einheit bilden.«
Jetzt, da ich meinen Verdacht bestätigt sah, kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Ich glaubte der Person jedes Wort. Sie war zwar nicht die Königin von Saba, aber sie war mächtig genug, mich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit mitzunehmen. Es hatte sich nicht aus einem Zufall heraus entwickelt, denn sie hatte mich bewusst ausgesucht, und dafür musste es Gründe geben.
Ich blickte in ihr Gesicht und fand den Ausdruck ihrer Augen irgendwie unergründlich. Das Lächeln auf ihren Lippen war ebenfalls nicht zu übersehen. Man konnte sie als geheimnisvoll bezeichnen, als rätselhaft, als mächtig und zugleich als namenlos, und genau dabei hatte ich meine Probleme. Abgesehen von den Gründen, die sie dazu gebracht hatten, sich um mich zu kümmern.
»Wer bist du?«, fragte ich sie direkt. »Hast du keinen Namen? Mir jedenfalls hast du ihn nicht genannt.«
»Doch, ich heiße Zippa.«
Damit konnte ich nicht viel anfangen. Den Namen hatte ich in meinem Leben noch nie gehört. Auf der anderen Seite musste Zippa etwas mit der Königin zu tun haben, wahrscheinlich war sie auch sehr nahe an sie herangekommen.
Da sie nichts mehr hinzufügte, sagte ich: »Du hast mir deinen Namen gesagt, aber das ist mir zu wenig. Wer bist du wirklich? Was steckt oder steht hinter dir?«
»Ich bin nur eine Botin.«
»Aha. Und diese Botin ist zu mir hingeschickt worden, um mich aus meiner Welt zu holen?«
»Ja, denn ich besitze die Kräfte, um die Zeit überwinden zu können. Ich habe mich umgeschaut, und ich habe viel gelernt. Ich konnte mir das Wissen aneignen, das nötig ist, um auch in deiner Zeit nicht aufzufallen. Und ich bin bewusst in deine Nähe gekommen, da du sehr wichtig bist und eine bestimmte Rolle spielst.«
»Hier und jetzt?«
»Genau.«
Das war mir noch zu wenig, und deshalb fragte ich, wobei ich meine Erregung zurückhielt und der Stimme einen möglichst normalen Klang gab: »Bei der Königin von Saba? Ist es dein Auftrag als Botin gewesen, mich zu ihr zu führen?«
Sie hatte mich in aller Ruhe reden lassen, jetzt aber konnte sie das Lachen nicht zurückhalten. »Oh nein, John Sinclair, das ist es nicht. Ich denke mal, dass du dich schon überschätzt. Du bist zwar wichtig, jedoch nicht für die Königin, sondern für eine andere Person, die ebenfalls eine Frau ist. Aber nicht du persönlich, sondern etwas, das sich in deinem Besitz befand und nun in meinen übergegangen ist, denn da gehört der Gegenstand hin.«
Besitz! Gegenstand! Es waren zwei Hinweise, die mich nachdenklich machten. Die Lösung lag dicht vor mir, und ich brauchte nur die Hand auszustrecken, um danach zu greifen, aber ich fühlte mich in diesen Momenten dicht vor der Wahrheit wie gelähmt und schaffte es nur, eine Frage zu formulieren, die auch ein Fremder hätte stellen können.
»Was ist es denn?«
»Eine große und wunderbare Waffe!«
Sie brauchte nichts mehr zu sagen. Der Vorhang riss vor meinem Gedächtnis entzwei.
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