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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoite Groult
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tun würde. Erst am letzten Abend fanden wir den Mut zu reden, in einem jener gemütlichkuscheligen Restaurants, in denen man der Grausamkeit des Lebens zu entkommen glaubt. Im Zimmer ging es nicht: Unsere Hände schnitten uns allzuschnell das Wort ab. Zumal wir vor der Wahrheit Angst hatten. Schließlich waren wir nur aufgrund eines Irrtums hier. Wir waren aus unserem Leben ausgebrochen, und das würden wir büßen müssen.
Während ich, so gut es ging, die Seezungenfilets unter der Haut und den Gräten zu verbergen suchte ‒ es gelang mir nicht, sie herunterzuschlucken ‒, erklärte mir Gauvain seine Sicht der Zukunft, als ob er mit seinem Reeder über einen Vertrag verhandelte; dabei verschlang er seine Portion mit jenem konzentrierten Ernst, den er bei jeder Handlung an den Tag legte. Er bot mir, zunächst in ziemlich wirrer Reihenfolge, an, seine Verlobung zu lösen, einen anderen Beruf zu lernen, sämtliche notwendigen Kurse zu belegen, sich über moderne Kunst und Musik zu bilden, zu lesen, als erstes natürlich die Klassiker, seinen Akzent abzulegen und schließlich, wenn all das vollbracht sein würde, mich zu heiraten.
Er saß da, auf der anderen Seite des kleinen Tisches, seine Knie hielten unter der Tischdecke die meinen umklammert; sein Blick war hell und klar ‒ brachte er nicht ein loyales Opfer? ‒, trübte sich aber, als er in meinen Augen las, daß sogar die Hingabe seines Lebens nicht genügen würde.
Gerne hätte ich ihm nicht sofort geantwortet, hätte ihm sagen wollen, daß wir es uns überlegen sollten, hätte vermieden, mit drei Worten eine so glühende Liebe umzubringen. Gleichzeitig aber brachte mich seine Naivität aus der Fassung. Welcher Mann würde mir je ein so großzügiges, ein so wahnsinniges Angebot machen? Aber leider gab es für Gauvain nur ja oder nein. Lieber würde er sich das Herz herausschneiden und es weit von sich werfen, als auf einen Kompromiß einzugehen und sich mit mir zu treffen, ohne mich zu besitzen. Ich blieb stumm, denn als Gegenleistung konnte ich ihm nur unseriöse Dinge bieten, auf denen man kein Leben aufbauen kann: mein wahnwitziges Begehren und meine Zärtlichkeit. Ich wollte weder mein Studium abbrechen noch die Frau eines Seemanns werden, noch in Larmor-Plage mit seinen Freunden und Yvonne als Schwägerin leben, noch meine Sonntage auf dem Sportplatz von Lorient verbringen und erleben, wie er in den gegnerischen Strafraum einbrach. Und um ihm den Rest zu geben, wollte ich auch sein Opfer nicht; ich wollte, daß er bei seinem Beruf blieb, daß er seinen Akzent, seine Kraft und seine Inkompetenzen bewahrte. Wußte ich denn, ob ich ihn als Angestellten verkleidet oder meinetwegen als Schiffszimmermann überhaupt noch lieben würde? Würde mir nicht der Glanz des Meeres in seinen Augen fehlen? Und würde er sich denn selbst noch mögen? Aber mit diesen Argumenten kam ich bei ihm nicht durch. Sein Gesicht wurde verschlossen, und plötzlich wirkte er borniert, obwohl er Mühe hatte, ein Zittern in den Mundwinkeln zu beherrschen. Mein Gott, wie liebte ich doch diesen Widerspruch zwischen seiner Verwundbarkeit und dem heftigen Temperament, das zu seiner wahren Natur gehörte und das immer im Hintergrund lauerte. Meine Liebe zu ihm bereicherte sich noch an seinem Schmerz, und ich hätte es verdient, daß er mich dafür schlug.
Als wir das Restaurant verließen, versuchte ich, ihm meinen Arm um die Taille zu legen, aber er befreite sich brutal.
»Wenn es so ist, kann ich ja gleich heute abend abreisen«, sagte er mit Grabesstimme. »Dafür brauchen wir nicht noch eine Nacht im Hotel zu verschwenden.«
Eine Nacht zu verlieren, das erschien mir als ein unerträgliches Unrecht am Leben, ein Hohn auf das Geschenk, das uns zuteil geworden war. Aber überzeugen würde ich ihn nicht. Lozerech würde nach Hause fahren, voller Zorn auf diese Mädchen aus der Stadt, die einem erst das Leben kaputt- und dann sich aus dem Staub machen, leichten Herzens dazu. Er war schon dabei, sich eine Version zurechtzulegen, die zumindest mit seiner Weltanschauung harmonieren würde. »Du wirst es vielleicht bereuen, alles abgelehnt zu haben, was ich bereit war, dir zu geben. Vielleicht bist du zu kompliziert, um glücklich zu werden.«
Er wagte es nicht, mich anzusehen. Er sah mir nie in die Augen, wenn er Kritik an mir übte. Wie all jene, die gar keine Vorstellung von einer Privilegien- und bildungsgesättigten Kindheit haben, glaubte er, daß alles nachholbar sei. Daß er mit der

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