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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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Gauvain sich auf den ersten Blick wenig von den britischen Verwaltungsbeamten in khakifarbenen Shorts und weißen Socken unterschied oder von den Generaldirektoren, die gekommen waren, um ihrer Leidenschaft für den Großfischfang zu frönen und so für kurze Zeit die Last ihres Vermögens zu vergessen. Fast als einziger hatte er keine Sonnenbrille auf, und George erkannte ihn sofort inmitten der dichtgedrängt Wartenden; er wirkte massiver, wenn nicht größer als die andern, sein Blick war sorgenerfüllt, eine seiner Augenbrauen hochgezogen. Er trug eines jener kurzärmeligen Hemden, die so wenigen Männern stehen, es ließ die Muskeln der Arme sehen, Arme, die dazu geschaffen waren, einen Schiffbrüchigen am Nacken zu packen und aus den tobenden Fluten zu ziehen. Dieses Hemd hatte er sorgfältig unter den scheußlichsten der exotischen Sorte ausgewählt: Palmen und Körbe balancierende Negerinnen auf widerlich orangefarbenem Grund. Das fing ja gut an! Sie winkte ihm zu, aber er rührte sich nicht, blieb etwas abseits stehen: Es war nicht seine Art, jemandem entgegenzustürzen. Auch bei ihr hatte nicht die Liebeshast den Vorrang, während sie, von der langen Reise erschöpft, ein angestrengtes Lächeln auf den Lippen, sich einen Weg zu ihm bahnte. Genau in diesem Augenblick fragte sie sich, was sie eigentlich dazu gebracht hatte, unter erheblichen Schwierigkeiten ein so fernes und teures Stelldichein zu organisieren, mit einem Fremden, den sie in zwölf Jahren gerade einmal geküßt hatte. Man mußte wohl von Fehlbesetzung sprechen, sollte sie heute abend tatsächlich im Bett des Bauernsohnes aus Raguenès liegen… Schnell suchte sie nach ein paar Anhaltspunkten, um sich Mut zu machen: als erstes die breiten Schultern. Sie kannte keinen anderen Mann von ähnlich eindrucksvollem Körperbau. Und dann diese massiven Handgelenke, mit denen der Seemann ihr ein Sicherheitsgefühl vermittelte und mit denen der Liebhaber sie erregte, die Dichte der gekräuselten Kupferfäden, die bis auf seine Hände vorwuchsen, und die kantigen Finger, die aus der rustikalen Handfläche wie aus einer unfertigen Skulptur hervorragten, bei der der Künstler nur die Enden ausgearbeitet hatte. Eigentlich genügte es ja, sich vorzustellen, daß sie einen »Aufenthalt auf einer Trauminsel« gewonnen hatte, »mit dem erotischsten Mann des Jahres«, ausgewählt aus einer Sammlung edelster Draufgänger! Was sonst tun, wenn man von so weit angereist kommt, als sich in die Arme des Mannes zu stürzen, der einen erwartet? In Frankreich und sogar in Europa hätte sie sich gehütet, derlei Impulsen nachzugeben… aber hier war sie weit weg von allem und empfand jene besondere Freiheit, zu der ein exotisches Ambiente und feuchte Hitze ihren Teil beitragen. Gauvain entspannte sich ein wenig. Er fühlte sich nicht wohl in der Rolle des Luxustouristen, die er noch nie gespielt hatte, und auch für die Rolle des Ehemannes, der mal über die Stränge haut, hatte er sein Leben lang Verachtung empfunden. Der Anflug von Begehren, der ihn überkam, sobald er George in den Armen hielt, half: Halbwegs wußte er wieder, wer er war und warum er hier stand. Solange sie unter Menschen waren, wechselten sie nur ein paar belanglose Worte, warfen sich verstohlene Blicke zu, und ihre Verlegenheit wich allmählich jenem seltsamen Jubel, den sie nur zusammen empfanden:
    George Ohne-es und Lozerech hier auf den Seychellen, das konnte nur ein gewaltiger Scherz sein, über den sie als erste lachten. Als sie die Zollformalitäten hinter sich gebracht hatten, stiegen sie in den von Gauvain gemieteten offenen Jeep und fuhren ins Hotel. Dort hatte er zwei Zimmer reserviert.
    »Glaubst du etwa, ich habe zehntausend Kilometer zurückgelegt, um allein zu schlafen?« fragte sie zärtlich. »Ich habe gedacht«, meinte er scheinheilig, »du hättest mich hin und wieder ganz gerne vom Hals, um so richtig zu entspannen…«
    »Also gut, behalten wir das Zimmer für vierundzwanzig
    Stunden, und dann sehen wir ja, wie's läuft!«
»Es ist sowieso zu spät, um es abzubestellen«, erklärte
Gauvain pragmatisch. »Heute abend suchen wir uns das
schönere aus, das ich natürlich für dich vorgesehen habe.« Sie entdecken ein riesiges Zimmer mit großem Kolonialbett
    samt Moskitonetz, die breite Fensterfront gibt den Blick frei auf einen langgezogenen, von Kokospalmen gesäumten Strand. Eine Brise weht, sie hören das metallische Knistern der Palmwedel. Da George den Indischen Ozean noch nie

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