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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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mitgebracht?« fragt George und hält das giftigrote Objekt zwischen zwei Fingern. »Warum? Magst du es nicht? Ich hab' es in Dakar gekauft!«
»Für Dakar ist es ganz in Ordnung, dort sehe ich es ja nicht! Hier werde ich es konfiszieren, erlaubst du? Ich fange an zu schielen, wenn ich es sehe.«
»Wie du willst, Karedig. Ich mag es, wenn du dich um mich kümmerst. Mir hat nie jemand gesagt, was ich kaufen soll, und ich kenn' mich nicht aus. Außerdem ist es mir völlig egal, ich kauf, was mir grad in die Finger kommt.«
Er steht vor ihr, ein kraftvoller, glatthäutiger Prachtkerl. Seine glücklichen Augen sind blauer denn je unter den dunklen Augenbrauen, er ist an der Grenze zwischen Jugend und Reife angelangt, hat gerade die Vierziger angefangen.
»Mir ist es nicht egal. Ich mag, wenn du angezogen genauso schön bist wie nackt. Und da es dir nichts ausmacht, werde ich auch deine geflochtenen Sandalen unter Verschluß nehmen. Deine Turnschuhe sind goldrichtig für hier und deine anderen Sandalen auch.«
»Und die Hose, klaust du mir die auch?«
»Die kannst du anziehen… hin und wieder.«
Er nimmt sie in die Arme, drückt sie gegen sein unanständiges Glied. Er ist gerührt, daß George sich wie eine Mutter verhält, jene Mutter, die er nie gehabt hat.
Am zweiten Tag gehen sie in Victoria, der Miniaturhauptstadt, spazieren, die noch ganz vom französischen Einfluß lebt. Erfolglos versuchen seit 1814 die bösen Engländer, die uns alles genommen haben, ihn auszulöschen. Noch ist die von der englischen Krone versprochene Unabhängigkeit nicht da, aber die Seychellois werden sich beeilen, ihre ersten Briefmarken der Freiheit in kreolischer Sprache zu beschriften. Und diese Sprache weist ganz eindeutig darauf hin, daß das Frankreich von Ludwig XIV. eine unauslöschliche und letztlich glückliche Spur hinterlassen hat auf diesen Inseln, deren Namen klingen, als entstammten sie geradewegs einer Oper von Rameau. Man badet in der »Rosenholzbucht« oder setzt zur Insel »Glückseligkeit« über; auf jeden Fall zeugen die Namen auf der Karte ‒ die Buchten Poules-Bleues, Ala-Mouche, BoisdeRose, Boudin, die Inseln Aride, Félicité, Curieuse sowie Cousin, Cousine oder Praslin ‒ vor allem von der dichterischen Phantasie der französischen Seefahrer und Piraten. Nur der Königin Victoria ist der Handstreich gelungen, und sie hat sich mitten auf der Hauptinsel Mahé eingenistet. La Bourdonnais wird es ihr vermutlich nie verzeihen.
Ein heftiger, warmer Regen verfolgt sie den ganzen Tag, und erst als sie in den Jeep steigen, um die benachbarten Strände aufzusuchen, entdecken sie, daß in zwanzig Kilometer Entfernung eine brennende Sonne nie aufgehört hat zu scheinen.
Mahé mit seinen Bergen ist bekannt dafür, daß es den Regen anzieht, und so beschließen sie, so bald wie möglich vom Angebot des Freundes Conan Gebrauch zu machen und die nur zwei Bootsstunden von Victoria entfernte Insel Praslin hinter ihren Korallenriffen kennenzulernen.
Sie sind nie zusammen auf einem Boot gewesen, und Gauvain ist glücklich, George in seinem Element willkommen zu heißen. Sie entdeckt ihn in seiner schönsten Rolle, er ist schnell, effizient, in den Bewegungen sparsam wie jeder gute Seemann. Man spürt, daß er mit der salzigen Flut schon lange Umgang pflegt und daß er sich all ihren Tücken gewachsen gezeigt hat… bis jetzt jedenfalls, denn eines Tages wird sie ihn vielleicht doch mitnehmen, »den Schlaf zu finden im grünen Tang«. Sie werden von drei tropischen Regengüssen gepeitscht, und sie teilen lachend deren Wärme und Heftigkeit. George kann sich nicht erinnern, in den letzten Jahren so sehr gelacht zu haben. Lachen vor Glück, lachen zu können. Lachen wegen der wiedergefundenen Kindheit. Vielleicht kann man so vehement nur mit einem Mann lachen, mit dem man soeben mit der gleichen Vehemenz geschlafen hat? Hat Gauvain mit seiner Frau jemals so gelacht? Bei ihm dürften eher Lachsalven unter Männern üblich sein, an hohen Feiertagen in der Kneipe. Unter Frauen lacht man leise und heimlich und beherrscht sich schnell wieder: »Das ist ja alles recht und schön, aber die Pflicht ruft!«
Nach ein paar Ehejahren, Jahren schweren Lebens, in denen sich die Kluft zwischen den Geschlechtern noch vertieft ‒ jeder bei seiner mit Worten nicht mitteilbaren Aufgabe, der eine auf See, der andere zu Hause, in der Fabrik oder auf dem Feld ‒, verliert man mehr und mehr die Fähigkeit zum kindlichen Gelächter.
Als sie sich der Insel

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