Salz auf unserer Haut
Bewegung inne, um nichts zu verlieren von dem Mahlstrom, der sich in ihr eingräbt, je weiter er zum Rand des Trichters vordringt. Doch kaum hat er die glitschigen Lippen erreicht, da verliert er jegliche Kontrolle und stürzt in den lauen Abgrund. Und ohne Nuancen und ohne Schnörkel, ohne seinen Rhythmus bestimmen zu können, prescht er seiner Wollust entgegen, dem Rohling folgend, der soeben in ihm erstanden ist und der verlangt, den Tanz anzuführen. Sehr bald versinken sie in jenen Zonen, wo das Begehren sich mit Lust vereint, die erneut Begehren erweckt, ohne daß man sie noch voneinander unterscheiden oder wählen könnte zwischen Anfangen und Aufhören. »Verzeih mir, ich bin zu hastig. Verzeih mir«, wiederholt er, und sie antwortet, daß sie es manchmal mag, wenn er brutal ist, und er glaubt ihr nicht, und auch deshalb liebt sie ihn, diesen Mann: Er wiegt sich nicht in der primitiven Gewißheit, daß die Frauen schroff behandelt werden wollen.
»Ich konnte es nicht mehr erwarten, da drin zu sein«, flüstert er. »Auch wenn ich dir dann weh tue. Verzeih mir.«
»Du tust mir nicht weh, ganz im Gegenteil«, antwortet George und umschlingt ihn fester. Endlich ruht er in ihr, wie der Vielgeliebte im Hohenlied, auf scheinheilige Weise reglos und hinreißend schwer. Auch dieses Gewicht auf ihr liebt sie, genau wie sie diesen Scheinfrieden liebt. Bald schon sucht er ihre Lippen, und wieder können sie nicht sprechen, aber die Botschaften werden dennoch übermittelt, alle Schaltstellen funktionieren. Wie bei einem Fahrradschlauch, der wieder aufgepumpt wird, spürt sie, daß sein Glied schubweise wieder seine Form annimmt, worauf gleich wieder die Bewegungen einsetzen, zunächst langsam, bis dann der freche Besucher die Stätte okkupiert, den ganzen vorhandenen Raum und noch viel mehr ausgefüllt hat, sich den Wandungen anpassend, sie dehnend, am Grund anstoßend und ihn zurückdrängend. »Mach dir's bequem, fühl dich wie zu Hause«, flüstert sie.
Er knurrt im Takt, ohne zu antworten, und sie sagt ihm wiederholt, daß sie ihn liebt, weil er sie zutiefst anrührt, wenn er sich ‒ was selten geschieht ‒ nicht mehr beherrscht, und daß sie sich um ihren Orgasmus später kümmern wird, sie hat keine Lust, ihn zu verschleudern, sie genießt es, wenn sie ihn ums Haar verpaßt, ihn weiter erhofft, sich ihn warmhält. Mit Gauvain braucht sie keine Angst zu haben, er wird ihn schon aus seinem Versteck hervorlocken, später. Auch diese Latenz liebt sie, dieses Warten, das sich außerhalb der regulären Bettstunden fortsetzt, bei Tisch, beim Spaziergang, am Strand, in der Sonne. Was sie liebt, ist die Liebe, die nicht enden will, das Begehren, das zögert, sich aufzulösen, das zwischen ihr und ihm dieses leichte Beben der Luft aufrechterhält, dieses Pulsieren des Lebens, das alle Augenblicke, die sie gemeinsam verbringen, unendlich kostbar macht.
Ein Orgasmus ist letztlich etwas Einsames. Man zieht sich zurück in den komplizierten Mechanismus des zu erklimmenden Höhepunktes, und wenn man ihn erreicht, löst sich die Spannung lediglich in einem selbst. George hat heute abend keine Lust, allein zu sein, nicht einmal eine Sekunde lang. Sie genießt die Wollust, die nicht mühsam auf ihre Auflösung hinarbeitet, die sich fließend entwickelt und um so länger anhält, die die Liebenden von der gleichen Welle tragen läßt und sie in der strahlenden Sicherheit wiegt, daß es nichts gibt, was solchen Augenblicken in irgendeiner Weise nahekommt, und daß man endlich das gesamte Potential seiner Sinne nutzt, um in dieses Hinterland einzudringen, das unsere verlorene Heimat ist. Zum erstenmal haben Gauvain und George die Zukunft vor sich: zehn Tage. Sie fühlen sich reich, sie haben Muße. Ihre Koffer sind noch nicht einmal ausgepackt. Wankend stehen sie auf. Zum erstenmal werden sie ihre Sachen gemeinsam in einen Schrank räumen. Wenn sich ihre Wege im Zimmer kreuzen, sehen sie sich mit zärtlicher Dankbarkeit an, für das, was sie sich nehmen, wie auch für das, was sie sich geben. Für sich hat Gauvain fast nichts mitgebracht in seinem Koffer, ein Dreiwandnetz nimmt den ganzen Platz ein! Er behauptet, er habe einem bretonischen Kumpel, der hier in der Gegend lebt, versprochen, eines mitzubringen. Solche Freunde hat er in allen Häfen der Welt. Conan wird ihm sein Boot borgen. Sie werden mit ihm zum Fischen hinausfahren, es ist schon alles ausgemacht.
»Du hast doch hoffentlich noch ein anderes Hemd als dieses
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