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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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weitab von ihrem Knöchel. Er mag es, wenn sie über ihn redet, das ist er nicht gewohnt.
    »Nein, ich sehe dich eher als Kapitän im Dienste seiner Königin, der treu und brav nach jeder Expedition alles Geld und alle Diamanten, die er Einheimischen abgeluchst oder den Feinden abgenommen hat (was dann auch kein Diebstahl gewesen wäre), alles, bis hin zum letzten Teelöffelchen, abgeliefert hätte. Und als Belohnung, kann ich mir gut vorstellen, wärst du für den Rest deiner Tage in einem Verlies gelandet, weil du dir aufgrund deiner Ehrlichkeit irgendwelche hohen Herren bei Hof zu Feinden gemacht hättest… Oder aber du wärst von deiner meuternden Mannschaft ins Meer geworfen worden, weil du ihnen einen zusätzlichen Anteil an der Beute verweigert hättest.«
    »Als so doof siehst du mich also?«
»Tja… Ehrlichkeit war damals noch unrentabler als heute. Weißt du, was manchmal rentabel war? Ein guter Liebhaber zu sein!«
»Siehst du, vielleicht hätte ich als Korsar doch eine Chance
    gehabt. Nach dem, was du erzählst, zumindest, ich hab' ja keine rechte Vorstellung…« fügt er mit geheuchelt bescheidener Miene hinzu. Sie lachen. Auf diesem Gebiet fühlen sie sich wunderbar gleich. George streichelt ihn ein wenig, nur um sich zu vergewissern, daß alles noch da ist, und daß sein Glied schön steif ist, sogar dann, wenn sie über Geschichte schwafelt.
    »Das ist kein Witz, hör mal: Die Franzosen haben Tahiti erobert, weil Bougainvilles Matrosen bessere Liebhaber waren als die von Cook! Die Königin Pomaré, die von dem ach so britischen Pastor Pritchard schlecht gevögelt wurde, hat ihre Insel lieber den Franzosen geschenkt, nachdem sie ein paar Nächte mit irgendeinem Lozerech, so genau weiß ich das nicht mehr, von einer französischen Expedition verbracht hatte. Ich werde dir auch Bougainvilles Reisen um die Welt schenken, ich bin sicher, daß du begeistert sein wirst.«
    »Und warum gibst du mir nicht auch dein Buch? Es beeindruckt mich sehr, daß du ein Buch geschrieben hast. Für mich sind Schriftsteller andere Menschen, nicht wie wir. Unantastbar, weißt du…«
    »Nein, das weiß ich überhaupt nicht! Ich finde gerade, daß du an Schriftstellerinnen ganz gut herumtastest. Ich weiß nicht, ob ich mit meinem Buch genauso gut reüssiere. Es ist ein wenig akademisch, weißt du. Und dann die Frauen… plus die Revolutionen… Zwei Themen, die dich nicht sonderlich begeistern. Nun ja, sagen wir, du hast nie darüber nachgedacht. Du weißt nicht einmal, ob es dich interessiert oder nicht.«
    »Sag doch gleich, ich bin ein Trottel, wieder einmal.« »Das sag' ich ja!«
Auch George versetzt ihm nun einen Fausthieb.
    »Ich frag' mich, was ich hier mit dir tu'!« ruft Gauvain, der zögert, ob er diese Replik als Scherz betrachten soll.
    »Und ich mit dir erst? Hast du dir die Frage schon gestellt? Wir werden es uns wohl am hellichten Tag eingestehen müssen, daß wir uns lieben, du Trottel, den ich liebe!«
    Sie umschlingt seinen Hals und zwingt ihn, sich über sie zu neigen, und nun wissen sie nicht mehr, was sie denken, so lange dauert dieser Kuß. »Du interessierst mich, wenn du's wissen willst«, fährt George fort. »Ich mag deinen Charakter, deinen entsetzlichen Charakter. Ich mag deine Zärtlichkeit. Und in Sachen Liebe bist du intelligent, was so wenige Männer sind, und das, das paßt nicht zu einem Dummkopf, also siehst du… Und meine Dissertation, die schick' ich dir, und zwar mit einer kompromittierenden Widmung! Du wirst sie heimlich lesen müssen und sie anschließend im Garten vergraben.«
    Die Sonne sinkt auf die Veranda nieder, die unter den üppigen Bougainvillearanken fast zusammenbricht. Ach ja, apropos, denkt George, ich muß ihm sagen, daß das, was heute von Bougainville übrigbleibt, nicht eine Insel ist, obwohl er so viele entdeckt hat, sondern dieser Strauch. Sie trinken ein wenig zuviel kreolischen Punsch, und George erzählt ihm ihr Leben an der Universität. Sie tut sich leicht mit dem Reden, sowohl aus Familien- als auch aus Klassentradition. Bei Gauvain wird nur das Unerläßliche gesagt. Und mit den Freunden läßt man sich nur selten zu Vertraulichkeiten hinreißen, und auch dann in Scherzform, an alkoholisierten Abenden. Man spricht nicht über Dinge, die einem am Herzen liegen. Das wäre ungehörig, das wäre so, als käme die Großmutter Lozerech auf die Idee, sich anders als in Schwarz zu kleiden, oder die Mutter, morgens im Bett liegenzubleiben. »Also, das war nicht

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