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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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Fischfangs ist es aus, er aber, er gibt sich nicht geschlagen. Der Beweis ist, daß er hierher gekommen ist. Und was den industriellen Fischfang angeht… Man spricht schon von Hubschraubern, die eingesetzt werden, um die Seevögel zu erspähen, die sich dort scharen, wo es Kleinzeug an der Oberfläche gibt, was wiederum die dickere Beute weiter unten signalisiert. Die Falle nimmt andere Dimensionen an. Der Nordatlantik wird demnächst verwüstet sein, aber hier warten noch ganze Völker von Thunfischen auf die Jäger. Seine Augen werden wieder lebhafter. Die Umwelt, die man auch Natur nennt, ist ihm scheißegal. Er mag die Verwüstung, sie ist sein Job. Letzten Endes ist er eben doch ein Pirat. Die Zukunft, das ist nicht sein Bier.
    Es ist ein Uhr früh, Gauvain blickt um sich, als fiele er wieder auf die Erde herab. George ist in seinem Arm halb eingeschlummert. Er hat allein geredet, aber ganz allein hätte er niemals geredet. Niemals. Mit keinem seiner Brüder und auch nicht mit seiner Frau. Mit seinen Kollegen, vielleicht, aber nur über Tatsachen, über Pläne, nicht über Gefühle. Gefühle, das bleibt den Weibern vorbehalten. Wie kommt es, daß er mit diesem Weibsbild da entdeckt, daß er ein anderer Mann ist und daß er Dinge sagt, von denen er nicht einmal wußte, daß er sie sagen wollte? Sanft trägt er sie ins Bett, die schöne Fischfrau. »Du darfst nicht mit deinem Fuß auftreten. Sonst staut sich das Blut. Ich werde dir noch einen neuen Umschlag machen, und einen Verband für die Nacht.«
    George verbirgt ihr Gesicht an seinem Hals. Zum erstenmal wird sie so getragen, gepflegt, gehegt. Sie läßt sich in eine undefinierbare Sanftheit hineingleiten.
    Doch, es fällt ihr wieder ein: Sie gleitet in die Hände ihres Vaters, der während des Krieges Sanitäter war, weil er ein Medizinstudium begonnen hatte, bevor er zum Künstler konvertiert war. In Hände, die eine Wunde zu reinigen wußten. Ihre Mutter konnte den Anblick von Blut nicht ertragen. Der fade Geruch von Jod steigt ihr wieder in die Nase. »Das brennt!« schrie sie immer, aus Gewohnheit. »Um so besser«, antwortete der Vater, »das ist der Beweis, daß es wirkt.«
    Zärtlich umschlungen, aneinandergeklammert wie zwei Kinder, schlafen sie ein, zum erstenmal vielleicht umschlingen sich, den Körpern folgend, ihre Seelen.
    Am nächsten Morgen geht es dem Fuß so deutlich besser, daß sie beschließen, die Insel Praslin zu besichtigen. Sie mieten das einzige Auto der Insel für den ganzen Tag, das wird für George weniger anstrengend sein als das Treten mit dem Fahrrad.
    Sie machen in jeder Bucht Station, aber die unscheinbarste, die Anse Marie-Louise, bietet ihnen die größte Vielfalt an Unterwasserschätzen, nur ein paar Schwimmzüge vom Ufer entfernt ‒ aber Schwimmen ist eigentlich gar nicht nötig ‒, unter einem Meter reinem Kristall, auf einer von Fischen bunt schillernden Seegraswiese ‒ sie gleiten hindurch und bewegen dabei kaum ihre Schwimmflossen. Von hier aus entdeckten einst die Matrosen der Heureuse Marie den Kokoshain des Vallée de Mai, den sie morgen besichtigen werden. Ganz in der Nähe hat der Pirat La Buse eine Erholungspause eingelegt ‒ die Engländer, die unfähig sind, ein »ü« auszusprechen, haben ihn »La Bjus« genannt, nachdem sie die fabelhafteste Beute in der Geschichte der Piraterie eingebracht hatten: den Vizekönig von Indien mit seinem goldenen Geschirr, den Erzbischof von Goa und seine heiligen Gefäße voller Edelsteine… Sie liegen auf dem heißen Sand unter den Filaos, lesen gemeinsam den Reiseführer, sind weit entfernt von der heutigen Welt.
    Heute nachmittag werden sie sich wieder lieben. Zum erstenmal auch hat Gauvain den Eindruck, sich der Frau auszuliefern, die er nehmen wird. Er fühlt sich schüchtern und gleichzeitig aufgeregter. An diesem Tag wird er es zum erstenmal zulassen, daß sie ihn »da« küßt, wie er sagt, lange und ausgiebig, und daß er es wagt, seine intensive Lust zu zeigen; aber ganz kann er sich ihren Lippen nicht hingeben. Er schämt sich. Im letzten Augenblick zieht er George zu sich herauf. Gesicht an Gesicht.
    »Ich habe zuviel Achtung vor dir«, sagt er, »du wirst das blöd finden, aber so kann ich nicht kommen, in deinem Mund.«
    »Vertrau mir doch. Ich tue nur, was ich mag, und ich höre sofort auf, wenn es mir nicht mehr gefällt. Bei dir mußte ich mich noch nie zu etwas zwingen.«
    »Das kann sein, aber ich schaff es nicht. Bist du mir böse?«
    Mit der Zunge

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