Salz und Asche - Roman
küssen ließen, dachte Susanne auf dem Weg in die Küche. Er verstand es, ein Mädchen mit seiner Freundlichkeit einzuwickeln. Seinem offenherzigen Wesen traute man nichts Übles zu. Till allerdings schien anderer Ansicht zu sein. Sie musste ihn unbedingt ausfragen. Wer wusste, bei welcher Art nächtlichen Unfugs sich die beiden schon über den Weg gelaufen waren?
Der nächste Tag war ein Sonnabend, und weil das Wetter weiterhin trocken und mild blieb, beschloss Susanne, die Sonntagskleidung hinauszubringen. Sie wurde gebürstet, ausgebessert und gebügelt und dann zum Lüften draußen aufgehängt. Wo sie schon einmal dabei waren, wurden gleich auch die Schränke aufgeräumt und nachgeprüft, ob sich keine Motten in den guten Wollsachen eingenistet hatten.
Zusammen mit den gewöhnlichen Haushaltspflichten beschäftigte das Unternehmen alle Frauen des Hauses den ganzen Tag lang. Susanne war am Abend zu müde, um eine Gelegenheit für das Gespräch mit Till zu suchen.
Erst als die Familie am Sonntag nach dem Gottesdienst aus der Nicolaikirche kam, fiel es ihr wieder ein. Martin und ihr Vater sprachen auf dem Kirchvorplatz mit dem alten Marquart und seinen beiden Töchtern. Regine war bei
ihrem Vater untergehakt, Liebhild spielte mit den anderen Kindern, und Lene hatte sich zu ihrer Mutter gesellt.
Till zog es zu einer Gruppe von jungen Männern, die sich in Hörweite einiger junger Frauen zusammengefunden hatten. Susanne fasste ihn am Ärmel und hielt ihn zurück.
Er wandte sich ihr ungeduldig zu. »Nur einen Augenblick, Suse. Vater redet doch auch noch. Geh hin und guck dir Dorothea Marquart mal genauer an. Vielleicht leben wir bald mit ihr unter einem Dach.«
Er wollte ihr seinen Arm entziehen, doch sie ließ ihn noch nicht los. »Ich muss mit dir sprechen. Kommst du nach dem Mittag hinter den Hühnerstall?«
»Ach so. Heckst du etwas aus?« Er grinste, weil er das selbst für unwahrscheinlich hielt. Es war lange her, dass sie sich wegen kindlicher Streiche mit ihm hinter dem Stall versteckt hatte.
»Kommst du?«, beharrte sie.
»Ja, ja, sicher. Nach dem Mittag.«
Sie sah ihm nach, als er zu den anderen schlenderte. Er war mit seinen achtzehn Jahren einer der jüngsten von ihnen. Sie begrüßten ihn mit den üblichen gutmütig-spöttischen Bemerkungen, auf die er schlagfertig antwortete. Seine flinke Zunge verschaffte ihm Respekt, wenn auch nicht nur Freunde.
Auch Till hatte damit zu kämpfen, dass seine Familie als seltsam galt. Die Blicke der jungen Leute wurden häufig dahin gezogen, wo die Büttners standen. Sie hatten alle lernen müssen, das nicht zu beachten.
Für Susanne war es der Grund, warum sie sich an diesem Tag nicht den jungen Frauen anschloss. Wenn sie ihnen einzeln begegnete, wich sie keiner von ihnen aus, doch in der Gruppe stellte sie sich ihnen nicht gern.
Der freie Raum zwischen der Rückwand des Büttnerschen Hühnerstalls und der Mauer des Nachbarhofs war breit genug für zwei spielende Kinder. Für Erwachsene war es eng und unbehaglich, zumal die aufgestaute Luft nach frischem Hühnermist stank. Außerdem musste man sich vor den Brennnesseln in Acht nehmen, die dort ungehindert wucherten, seit sie nicht mehr regelmäßig von Kindern niedergetreten wurden.
»Hoffentlich ist es etwas Wichtiges«, sagte Till, als er sich durch die Lücke zwischen Stallpfosten und Mauer zu Susanne hereinzwängte. Ebenso wie sie hatte er seinen Sonntagsstaat abgelegt, sich aber nicht wie üblich zur feiertäglichen Mittagsruhe begeben, sondern sich aus dem Haus gestohlen. Seine blonden Locken waren dennoch zerwühlt, als käme er gerade aus dem Bett. Lässig lehnte er sich an die Mauer und verschränkte die Arme. »Hast du eine heimliche Liebschaft, Schwesterchen?«
Susanne wusste, dass er sie aufzog, und verschränkte ebenfalls die Arme. »Und was hätte das wohl mit dir zu tun? Glaubst du, ich würde deinen weisen Rat suchen?«
»Nein, aber meine Botendienste, so würde ich meinen. Du könntest mir vertrauen, ich wäre verschwiegen und hätte einen Heidenspaß dabei. Solange es sittsam zuginge, heißt das.«
»Das ist sehr freundlich, darauf komme ich gern zurück, wenn ich Ärger brauche. Was wäre denn wohl, wenn ich dich bäte, Lenhardt Lossius eine Nachricht von mir zu bringen? Mir scheint, da wärest du mit wenig Freude dabei. Ich habe dich selten jemanden so anfeinden sehen.«
»Was glaubst du denn? Soll ich mich freuen, wenn das eitle Pferdegesicht sich auch noch an meine
Weitere Kostenlose Bücher