Salz und Asche - Roman
War ich grob?«
»Nein. Aber du hast im Wald zu ihr gesagt, dass sie versteckt bleiben soll, bis du sie holst. Und sie hat geschrien, als sie die Doggen gesehen hat. Deshalb hat Rieger sie entdeckt, und dann ist sie vor ihm davongelaufen.«
Sie spürte sein stummes Lachen an ihrem Rücken. Er drückte sie fester an sich. »Das nächste Mal, wenn ich die Köter sehe, dann schreie ich auch. Ich dachte, dieser Orfus beißt mir die Kehle durch. Höllenangst hatte ich vor dem Biest. Wie könnte ich Liebhild böse sein?«
»Lügner«, murmelte Till. »Vor gar nichts hast du Angst. Du bist selbst Höllenbrut, Niehus.«
»Was weißt denn du!«, erwiderte Jan.
Sein Tonfall verriet Susanne, wie zugetan er Till war. »Ich wünschte, ich hätte auch vor gar nichts Angst«, sagte sie müde.
Jan lehnte seinen Kopf gegen ihren. »Das wünschst du
dir nicht. Denn das hieße, du hättest nichts Wichtiges zu verlieren.«
Till stöhnte unwillig. »Heuchler, alle beide. Und Höllenbrut. Suse, du kannst jeden anderen das Fürchten lehren.«
Sie fuhr ihm durch die Locken. »Schweig, kranker Mann. Du musst dich schonen.«
»Ich bin schon gestorben. Das ist nur mein Mundwerk. Du weißt doch, dass Vater schon immer sagte, man müsse es einzeln totschlagen.«
Liebhild fuhr an seiner Seite hoch und starrte ihn an. »Stimmt das? Bist du gestorben?«
Susanne seufzte. »Da siehst du wieder, was dein Mundwerk anrichtet. Kneif ihn in die Seite, Liebchen, dann wirst du schon sehen, dass er lebendig ist.«
Ihre Schwester schmiegte sich beruhigt zurück unter die Decken. Till zog sie an sich und gab ihr einen Kuss, atmete selbst nach dieser kleinen Anstrengung jedoch schwer und flüsterte nur noch. »Ich weiß nicht, es fühlt sich nicht gut an.«
Seit einer Weile schon hatte Jockel das Boot mit der langen Stange gestakt, nun erreichten sie einen Abschnitt der Ilmenau, wo sie schneller vorankommen würden, wenn sie zogen. Jan stand auf Jockels Wink hin auf. »Das wird schon wieder, Mann. Schlafen hilft«, tröstete er Till, bevor er mit der Zugleine ans Ufer sprang.
Susanne sah ihm zu, wie er sich vor den Ewer spannte und sich auf dem Treidelpfad ins Seil legte, während Jockel sie bedachtsam mit Ruder und Stange im freien Wasser hielt.
Weit musste Jan nicht ziehen, bevor ihnen ein Bomätscher mit seinem Pferd entgegenkam und die Arbeit übernahm.
Jockel unterhielt sich fröhlich mit dem Mann, mit dem er gut bekannt war. Es war nicht mehr weit bis nach Lüneburg. Susanne musste nicht fragen, um zu wissen, dass Jan sich aus diesem Grund nicht wieder so nah zu ihr setzte wie zuvor. Je näher sie dem Hafen kamen, desto zurückhaltender und in sich gekehrter wurde er.
Jockel dagegen wurde zunehmend lebhafter. Schon von der Hude aus wurden sie im Vorüberfahren überschwänglich und neugierig von Schiffern begrüßt. Als die Leute Liebhild entdeckten, riefen sie ihnen Glückwünsche zu.
Bei der Einfahrt in den Stadthafen richtete Jockel sich auf, brüllte mit voller Lungenkraft »Katharina« und pfiff lang und gellend auf zwei Fingern.
Prompt wartete Kathi bereits oben an der Treppe, als sie anlegten.
»Wir haben hier einen verletzten Büttner, mein Engel«, rief Jockel hinauf.
Schon war Kathi ohne ein Wort der Begrüßung wieder fort, nur ihre Stimme war zu hören. »Leif! In die Böttcherstraße zu Martin Büttner! Er soll ein Holzfuhrwerk für seinen verletzten Bruder schicken.«
Susanne nahm Liebhild an die eine Hand und in die andere das Bündel mit ihrer Reiseausrüstung und ihren Decken. »Dem Herrgott sei Dank, Liebchen. Gleich sind wir zu Hause.« Sie half ihrer kleinen Schwester über die nebeneinanderliegenden Ewer auf die erste Stufe der Treppe und drehte sich erst dort wieder um. Jan betrachtete sie mit einem so schmerzlichen Gesichtsausdruck, dass ihr Herz sich überschlug. »Du kommst mit zu uns, Jan«, sagte sie und hoffte, so entschlossen zu klingen, dass er keinen Widerspruch wagen würde. Er nickte, sah jedoch aus, als hätte sie ihm befohlen, in den Tod zu springen. Sie konnte
nicht länger darüber nachdenken, denn inzwischen kam Kathi ihr auf der Treppe entgegen und nahm ihr das Bündel ab.
»Nun komm schon und erzähl schnell. Dein Bruder ist gewiss gleich mit dem Wagen hier.«
Kathi irrte sich. Noch bevor Susanne ihr zusammengefasst hatte, was geschehen war, kam Martin zu Fuß um die Ecke der Böttcherstraße gerannt. Keuchend blieb er vor ihnen stehen. »Suse? Der Junge sagte, Till … Der Wagen … Was ist
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