Salz und Asche - Roman
Hätte bei Tisch stärker zulangen sollen. Nu kommt mir die Nacht wieder arg lang vor.«
Als Kathi stehenblieb, war Susanne versucht, ohne sie weiterzugehen. Doch Kathi sah das voraus und legte ihr die Hand auf den Arm. »Tobias, du solltest es doch langsam wissen. Warum lässt du dir von deiner Marthe nicht gleich was einpacken? Ich kann dir später etwas bringen, aber jetzt müssen wir erstmal die Büttnermädchen finden. Hast du sie gesehen?«
Susanne fühlte sich erröten und blickte zu Boden. Kathi tat, als wären die »Büttnermädchen« stadtbekannt. Dass ihre Suche derart an die große Glocke gehängt wurde, war ihr peinlich.
Tobias kratzte sich hinter dem Ohr. »Die hübsche Schwachsinnige mit ihren Schwestern? Seit wann werden sie denn vermisst?«
»Sie ist nicht schwachsinnig«, rutschte es Susanne heraus.
Kathi drückte ihren Arm fester. »Sie ist mit ihrer kleinen Schwester spazierengegangen, und nun werden beide vermisst. Also, was ist?«
»Bin noch keine Stunde hier. Falls ich sie sehe, halte ich sie fest und schicke jemanden mit ihnen nach Hause.«
Kathi lächelte und gab ihm einen herzhaften Klaps auf die Schulter. »Das ist gut. Was willst du für eine Pastete haben? Rind mit oder ohne Pilze? Im Weißen Ross gibt es heute gute mit Fisch, an denen man sich nicht den Magen verdirbt.«
»Fisch wäre mir recht. Und … na, du weißt schon. So was kleines Süßes, ja?«
»Du bist ein hoffnungsloser Fall, Tobias«, sagte Kathi.
Der Wachmann gluckste. »Sag Marthe nichts.«
Susanne glaubte, aus der Haut fahren zu müssen. »Kathi, bitte! So finde ich sie nie.«
»Geht ja gleich weiter. Warum gehen sie überhaupt zum Fluss?«
Tobias und Kathi musterten sie, und Susanne wollte im Boden versinken. Das Wasser zog Regine an, und niemand wusste, warum. Doch so konnte sie es nicht sagen, denn das klang nach Wahnsinn oder Zauberei. »Meine Schwester geht gern am Wasser spazieren.«
Tobias’ Augen wurden groß. »Deine Schwester? Dann bitte ich um Vergebung, Jungfer Büttner. So allein hab ich Euch nicht erkannt. Seltsam. Man sollte meinen, es würde Eurer Schwester reichen, dass sie ein Mal ins Wasser gefallen ist. Dann geht mal und seht nach, ob die zwei da herumspazieren.«
Susanne nickte ihm zu, und diesmal zog sie Kathi am Arm mit sich. Sie schritten durch das widerhallende Ziegelgewölbe des Tores auf die Alte Brücke hinaus. Die Ufer der Ilmenau waren flussabwärts bis zu den Mühlen am Hafen und flussaufwärts bis zu den Gebäuden der Ratsmühle zu überblicken. Außer zwei Anglern und einem älteren Paar, das zwischen den überhängenden Zweigen großer Weidenbäume Gartenwerkzeug im Fluss abspülte, war niemand zu sehen.
»Bleiben noch die Bleichwiesen«, sagte Susanne.
»Dann los! Worauf wartest du?«, sagte Kathi und preschte schon wieder voran, als wäre nicht sie es, die so viel Zeit mit Schwatzen vertan hatte.
Sie eilten zurück durch das Tor, Susanne nickte Tobias zu, Kathi winkte ihm. Er zwinkerte verschwörerisch zurück. »Nichts Marthe sagen!«
Erst kurz vor dem Roten Tor sprach Susanne Kathi wieder an. »Frag nicht wieder die Wache. Es muss sich doch nicht in der ganzen Stadt herumsprechen.«
Kathi blieb stehen und sah sie an. Mit ihrem Gesicht ging der gleiche Wandel vor, den Susanne schon einmal beobachtet hatte. Auf einmal hatte sie eine alte Frau vor sich. »Wenn du die beiden gleich findest und in die Arme schließt, dann hattest du damit recht. Aber glaube mir, wenn sie wirklich verschwunden sind, dann wirst du dir wünschen, du hättest jeden Hund und jeden Fisch nach ihnen gefragt. Du bist
ein seltsames Mädchen. Hast du nicht begriffen, dass euch ohnehin jeder kennt? Wenn deine Schwestern seit Stunden allein spazierengehen, dann weiß morgen Abend die Stadt davon. Das kannst du nicht verhindern.«
Susanne fühlte, dass ihr die Tränen kamen. »Hätte ich doch bloß aufgepasst.«
»Ja, meine Liebe. Du solltest aufpassen. Und nächstes Mal, wenn du kommst und beim Hafen merkwürdige Fragen stellst, dann ziehst du einen alten Rock an und machst ein Kopftuch um wie eine Bäuerin. Dann wird vielleicht nicht gleich jeder überlegen, was die kleine Büttnerin da bei den Schiffern sucht. Und auch nicht, was sie so lange mit dem Schmiedestrolch zu besprechen hat.«
Wie eine große Faust schloss sich die Angst um Susannes Magen. »Er ist kein Strolch. Haben die Leute über uns geredet?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber ich habe euch gesehen, und was ich sehe, dafür
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