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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Innere des hell erleuchteten Zimmers wie aus einem Zerrspiegel zurück.
    »Nein«, sagte er, »lieber nicht. Ich muss ja noch in die Stadt hinunter. Und dann verpasse ich den letzten Bus.«
    »Ganz wie du meinst.« Franz schlug sich mit den Händen auf die Knie und stand auf. »Vergiss deine Einladung nicht.«
    Das Zirpen der Zikaden erfüllte die warme Nacht, als die beiden vor das Bauernhaus traten. Eine alte Stalllaterne warf ihren gelben Schein auf den Kies des Vorplatzes. Außerhalb ihres Lichtkreises konnte Bosch kaum etwas erkennen. Aber die Straßenlampen, die die abfallende Bergstraße säumten, leuchteten in regelmäßigen Abständen beruhigend durch das schwarze Laub der Bäume.
    »Na, dann«, sagte Franz.
    »Na, dann«, sagte Bosch.
    Franz legte seine Hand auf Boschs Schulter und drückte sie kurz. Dann wandte er sich um und ging ins Haus zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.

ZWÖLF
    Der Antiquitätenladen des Cherubim Brandner war leichter zu finden, als Katharina gedacht hatte. Er lag in einer schmalen, mit Blumenkübeln geschmückten Seitenstraße direkt hinter der Kirche und glich aufs Haar der Abbildung auf dem Prospekt in ihrer Handtasche. Ihrem Vorschlag, nach Oberammergau zu fahren, hatte Hans überraschend schnell zugestimmt und sie nicht nur mit dem ominösen Prospekt, sondern auch mit einem zentnerschweren Bildband über Michael Pacher und einer selbst verfertigten Zeichnung der Wüsthofen’schen Madonna ausgestattet. Die Nachricht auf der Rückseite des Prospekts war eindeutig ein Erpresserschreiben. Was konnte das denn sonst sein, wenn ein anonymer Freund einem Gutachter mit der Öffentlichkeit drohte? Wieso hatte Hans das nicht gleich erkannt? Originell war allerdings das Briefpapier. Und damit ein erster Anhaltspunkt für ihre Recherche.
    Katharina ließ ihren Blick über die barocke Lüftlmalerei oberhalb der Fenster hinauf bis zum Dachfirst wandern, wo ein blau-goldenes Medaillon prangte, auf dem eine Figur Wasser auf eine brennende Scheune goss. Wahrscheinlich irgendein Schutzheiliger. Das Schaufenster war mit den verschiedensten bunten Holzfiguren vollgestellt.
    Brandners Laden war kleiner als viele andere Souvenirgeschäfte, von denen es im Ort mehr als genug gab, und die neben Schnitzereien auch bemalte Milchkannen, Wanderstöcke, Plüschkühe und Ansichtskarten verkauften.
    Katharina öffnete ihre schwere Ledertasche. Es war die Einzige aus ihrem reichhaltigen Fundus an Handtaschen, in der der Bildband Platz fand. Sie zog einen cremefarbenen Bogen Papier heraus. Mit sicheren Bleistiftstrichen hatte Hans die Madonna gezeichnet, eine hübsche, pausbäckige junge Frau, auf dem Schoß ein Baby mit einem Apfel in den dicken Händchen. Ein Bild selbstgerechter Mütterlichkeit, wie sie sich ihr ständig im täglichen Leben aufdrängte. Wenn sie zufällig eines dieser Müttergespräche mit anhören musste, die sich nur um Kinder und Krankheiten zu drehen schienen, freute sie sich immer, schnell in die Redaktion zu kommen. Sogar eine Unterhaltung mit Hubert war da im Vergleich anregend. Ja, ihrem Ex-Mann und seiner Gattin gönnte sie das Babyglück mit Windeln, Fläschchen und dem neuen familienfreundlichen Kombi von Herzen. Besonders da sie wusste, wie sehr Philipp an seinem Zweisitzer gehangen hatte. Katharina fuhr mit dem kleinen Finger über die Zeichnung, dann musterte sie die Auslage des Antiquitätenladens, konnte aber keine vergleichbare Figur entdecken.
    Sie steckte die Zeichnung zurück und drückte die Ladentür auf, über der in sauber gemalter blauer Schrift »Cherubim Brandner – Antiquitäten« stand. Sogleich erklang das metallische Scheppern einer Kuhglocke.
    Im Inneren des Geschäftes war es stickig. Ein weihnachtlicher Duft nach Zimt und Nelken lag in der Luft. Der Boden war mit Fleckerlteppichen bedeckt und an den Wänden hingen Hinterglasbilder mit religiösen und jahreszeitlichen Motiven.
    Ein alter Mann, ein gelbes Staubtuch in Händen, trat zwischen zwei Regalen hervor. Er mochte auf die siebzig zugehen, trug eine graue Strickjacke mit Hirschhornknöpfen und eine lederne Kniebundhose. Seine Füße steckten in Filzpantoffeln. Er ließ seinen Blick über ihr teures Dirndl gleiten, und Katharina hatte das deutliche Gefühl, dass sie auf ihre Zahlungskraft hin taxiert wurde. Wenigstens trug er keinen Bart, aber es war ja auch nicht Passionsspielzeit. Obwohl sie den Gedanken, dass ein ganzes Dorf ein Jahr lang nicht zum Friseur ging, um auf der Bühne authentischer

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