Salzburger Totentanz
Holzfiguren in verschiedenen Größen reihten.
»Schaun S’, ich hätt da einen sehr schönen heiligen Georg beim Kampf mit dem Drachen. Das wär doch was für Sie! Der Helm hat eine Echtgoldauflage. Dadurch liegt die Figur natürlich preislich etwas höher.« Der Alte schien davon auszugehen, dass das für Katharina kein Problem sein dürfte. Er trat mit dem Heiligen vor die Glasscheibe der Ladentür. Dort drehte er die Figur in den einfallenden Sonnenstrahlen hin und her, sodass der goldene Helm das Haupt des Heiligen wie eine Aureole umgab. »Sehen S’ des? Na? Wär das nix?«
»Eigentlich suche ich ja eher so was.« Katharina kramte in ihrer Ledertasche »Herr, äh …« Ob sie den Alten wohl namentlich würde zitieren können? Es würde ihrem Artikel so etwas Glaubwürdiges geben.
»Michalek.« Der Ladeninhaber ließ den heiligen Georg sinken und schob die Unterlippe vor.
»Ah, ja.« Sie zog Hans’ Zeichnung heraus und hielt sie dem Alten hin. »Schaun Sie mal.«
Er stellte den heiligen Georg an seinen Platz zurück und wischte sich mechanisch die Hände an der Lederhose ab, ehe er nach dem Papier griff. Er hielt das Blatt mit ausgestreckten Armen vor sich und zwinkerte.
»Ja, Fräulein, das ist aber keine Heiligenfigur, sondern eine Madonna«, sagte der Alte und holte eine Brille aus seiner Hemdtasche, setzte sie auf und hielt sich das Zeichenblatt nochmals vor die Augen. Eine Zeit lang sagte er gar nichts. Dann fixierte er Katharina scharf über den Rand der Brille hinweg.
»Sie, das ist aber eine sehr gute Zeichnung.« Er ließ Katharina nicht aus den Augen. »Wo haben S’ denn die her?«
»Die hat ein Freund von mir gemacht. Aber es geht nicht um das Bild, sondern um die Madonna darauf.« Der Alte schien irgendwie auf der Hut zu sein. Kannte er etwa die Figur?
Der Alte vertiefte sich wieder in die Zeichnung. Katharina fasste sich in Geduld.
»Haben Sie hier vielleicht so was?«, fragte sie schließlich und deutete in den Raum, in dem geschnitzte Heilige jeder Art und jeder Größe auf Tischen, Stühlen und Podesten standen. Einige von ihnen waren bunt bemalt und zum Teil vergoldet und stachen mit ihrem neuen Glanz regelrecht in die Augen. Andere Figuren waren eher verblasst und an manchen Stellen schon abgeblättert.
»Na ja, die gleiche nicht«, sagte der Alte zögernd. Er warf noch einmal einen Blick auf die Zeichnung, dann gab er Katharina das Blatt zurück, nahm seine Brille ab und schlurfte zum Schaufenster hinüber. Dort beugte er sich über den halbhohen Vorhang aus weißer Spitze, der die Auslage vom Geschäftsraum trennte, überflog rasch die Ausstellungstücke und griff nach einer Figur.
»Da – schaun S’, Fräulein«, sagte er und reichte Katharina tatsächlich eine Madonna, die ihr von draußen gar nicht aufgefallen war. Sie trug ein rotes Kleid, einen blauen Mantel und eine Krone auf dem Kopf. Auf ihrem Arm saß ein übergewichtiges rosafarbenes Baby, dem eine weiße Windel um den Bauch wehte.
»Ach ja«, sagte Katharina. »Sehr schön …« Sogar sie konnte sehen, dass das gute Stück nichts mit der Madonna auf dem Bild zu tun hatte. Die hier war einfach gutes Handwerk.
»Nicht wahr?«, meinte der Alte. »Die ist auch von mir.«
»Ah so.« Das Gesicht der Madonna erinnerte eindeutig an Jacqueline Kennedy. »Diese Madonna da ist aber neu«, sagte sie.
»Ja, natürlich ist die neu.« Er schüttelte den Kopf. »Was denn sonst?«
»Na ja«, meinte Katharina, »und wenn Sie die geschnitzt haben, kann sie ja auch kaum von Michael Pacher sein.«
»Von Michael Pacher ?« Beinahe hätte der Alte die Figur fallen lassen. Katharina streckte unwillkürlich die Hand aus. Im letzten Moment griff er jedoch zu und verhinderte so ein Unglück. »Ja, wie kommen S’ jetzt da drauf?«
Sie tippte mit dem Finger auf Hans’ Skizze. »Weil diese Figur hier von Michael Pacher sein soll.«
»Was?«, fragte der Alte. »Die Madonna auf dem Bild da?« Er zwinkerte nervös mit den Augen.
»Na ja, jedenfalls …« Katharina zuckte die Schultern. »Ich meine, Sie verkaufen doch auch alte … Ich meine Antiquitäten, oder?«
Der Alte schüttelte den Kopf. Umständlich beugte er sich über den Vorhang und stellte seine bunte Madonna an ihren Platz in der Auslage zurück. Dann drehte er sich zu Katharina um und stemmte die Hände in die Hüften.
»Hören S’, Fräulein«, sagte er. »Ich verkauf doch keine Pacher-Madonnen. Das is ein einfacher Souvenirladen und kein Museum.«
»Aber Sie
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