Salzburger Totentanz
würde Bosch wohl zu all dem sagen? Sie hatte das deutliche Gefühl, dass er ihr die schonungslose Offenlegung von Salcheneggers Machenschaften übelnehmen würde. Aber na wenn schon? Hatte sie sich jemals von einer guten Story abhalten lassen? Sie spürte ein Kratzen im Hals. Dabei war sie doch nie krank.
»Und mehr war nicht?«, fragte sie.
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Keine weiteren Forderungen? Vielleicht Geld? Machen das Erpresser nicht normalerweise so?«
Die Augen in Sebastians rundem Gesicht weiteten sich. Bosch konnte auch so schauen. Katharina fand sich auf einmal grausam. Trotzdem redete sie weiter. »Hat er nicht zahlen wollen? Hat er Ihnen vielleicht sogar gedroht? Haben Sie ihm deshalb so ein Schwammerl in seinen Korb gelegt? Ein einziger Giftpilz, hab ich mir sagen lassen, reicht aus, um …«
»W… was?!« Die Angst verzerrte Sebastians Stimme. »Sind Sie verrückt? Ich tu doch niemandem … Ich wollte doch nur die gleichen Chancen haben wie alle anderen!« Seine Augen füllten sich mit Tränen, und er musste blinzeln.
Katharina legte den Prospekt neben Boschs Zeichnung auf den Nachttisch. Dann berührte sie mit der Hand leicht Sebastians Schulter. Durch den steifen Stoff spürte sie die ungesunde Hitze seines Körpers und wollte ihre Hand schon zurückziehen. Der Junge schluchzte verhalten. Ihre Hand blieb, wo sie war.
»Ist ja schon gut«, sagte sie leise.
Doch Sebastian schüttelte immer wieder den Kopf. Boschs Zeichnung fiel ihr in den Blick. Er hatte die Madonna so perfekt wiedergegeben, dass Sebastian und sein Großvater sie sofort erkannt hatten. Dabei hatte er die Figur doch nur ein einziges Mal gesehen. Oder etwa nicht? »Sagen Sie mal, Sebastian«, sagte sie langsam. »Sie studieren doch Kunstgeschichte. Ich meine, Sie kennen sich doch mit Kunst aus, oder?«
Er nickte und fuhr mit dem Handrücken über seine schnupfende Nase.
»So ein Bildhauer … also, wenn einer so gut schnitzen kann, muss der dann eigentlich auch ein guter Zeichner sein?«
Sebastian runzelte die Stirn. »Sie meinen so was wie die Zeichnung da?«
»Genau.«
»Na ja«, sagte er zögernd. »Viele Bildhauer sind auch Maler. Michelangelo zum Beispiel …«
In dem Moment läutete das Handy in Katharinas Tasche. Sie drückte den Annahmeknopf. Franz Johann Schwarzenberger, der hatte ihr gerade noch gefehlt. Natürlich wollte der Maestro auch noch den Termin heute Abend vorverlegen, weil er morgen abreiste. Wie sie diese Starallüren hasste. Ach woher, lieber Maestro, kein Problem. Katharina schaltete das Handy aus. Auf ihrem Schreibtisch in der Redaktion lag die Seite von morgen. Sie konnte nur hoffen, dass Hubert sofort einsatzbereit war. Der Harlekin auf dem Bild tanzte.
Sebastian war inzwischen vollkommen blass geworden und wirkte erschöpft. Sein rundes Gesicht hatte fast etwas Zerbrechliches. In seiner Unbeholfenheit erinnerte sie der Junge wieder an Hans Bosch. Vielleicht war auch der immer das Opfer des Gespötts gewesen. Und machte deshalb ständig den Eindruck eines in seiner Künstlerseele zutiefst gekränkten Menschen. Wurde sie auf einmal sentimental? Sie tippte rasch die Kurzwahltaste an, auf der sie Huberts Handynummer gespeichert hatte. Der meldete sich tatsächlich und hatte wie erwartet keine Freude an dem Auftrag, die Seite von morgen fertig zu machen. Huberts Protest wurde vom mehrmaligen Piepsen ihres Handys unterbrochen. Der Akku war mal wieder leer. Na ja, Hauptsache, Hubert hatte seinen Auftrag noch gehört.
Sie warf das Handy in ihre Tasche. Ein für die letzten Wochen ungewohnt kühler Luftzug traf sie von der Seite. Draußen hatte ein leichter Regen eingesetzt.
»Was werden Sie jetzt tun?«
Die Frage kam so unerwartet, dass sie zusammenfuhr.
»Was?«
»Na, wegen der Polizei?« Sebastian biss sich auf die Lippe.
Es dauerte einen Moment, bis ihr einfiel, wovon er sprach. »Ach so«, sagte sie dann. »Nichts.«
»Nichts?«
Katharina stemmte die Hände in die Hüften, beugte sich vor, hinein in den Dunst aus Wäschestärke, Schweiß und Medizin. »Noch nie was von Informantenschutz gehört?«, fragte sie und schaute so böse, wie sie konnte. »Ein Journalist verrät nie seine Quelle!«
Sebastian zwinkerte verwirrt. Doch dann erhellte ein schüchternes Lächeln sein Gesicht.
»Und jetzt an die Arbeit.« Katharina sprach mehr zu sich selbst als zu dem Patienten. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Gute Besserung.«
Sebastian hatte ihr das Gesicht zugewandt. Sein
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