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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Lächeln war nicht mehr schüchtern, und die Bettdecke hob und senkte sich gleichmäßig. Das Bild mit dem Harlekin lag im Schatten.

SECHZEHN
    Ein heftiger Windzug fuhr in das Papier auf dem Schreibtisch, an dem Bosch und ihm gegenüber der Professor aus Italien saßen. Bosch stand auf und schloss die Fensterflügel. Unten auf der Gasse sah er die Menschen mit gesenkten Köpfen vorüberhasten. Manche hielten sich den Ärmel vor das Gesicht, um sich vor den sandigen Böen zu schützen, die um die Häuser fegten. In der langen Reihe der Fiaker auf dem Residenzplatz deckten die Kutscher ihre Gespanne zu. Touristen drängten sich schutzsuchend in den barocken Toreingängen.
    Bosch drehte sich zu seinem Besucher um. »Nun, Professor, was kann ich für Sie tun?«
    Professor De Luca schob den in Packpapier eingeschlagenen Gegenstand über Boschs Schreibtisch. »Bitte. Das habe ich Ihnen mitgebracht!«
    Bosch setzte sich in seinen Sessel und stützte das Kinn in die Hände. »Was ist das?« Das Paket war lang und schmal und hoch, aber nicht so eckig, als enthielte es eine Kiste. Also eher kein Wein aus Südtirol.
    De Luca wiegte den Kopf. »Sehen Sie selbst.« Er deutete auf das Paket und drehte dabei die Handfläche nach oben. »Das ist ein Tausch. Ich gebe Ihnen das hier – und Sie geben mir mein Eigentum zurück. Verstanden?« Er begann, das Packpapier achtlos zu zerreißen.
    Bosch zuckte mit den Schultern. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    »Oh, ja.«
    De Luca riss auch noch die letzte Papierhülle ab. Darunter kam eine geschnitzte Heiligenfigur zum Vorschein. Er drehte die Skulptur so hin, dass sie Boschs gesamtes Gesichtsfeld einnahm. Vor seinen Augen schwebte unter einer Mitra das in seiner Schlichtheit fast archaisch anmutende Gesicht eines Geistlichen. In der einen Hand das Buch, in der anderen den gekrümmten Bischofsstab. An den Fingern über den Pontifikalhandschuhen die Ringe. Der Blick des Heiligen auffallend nach unten gerichtet … Resigniert schüttelte Bosch den Kopf.
    »Der heilige Valentin … Wo haben Sie den her?«
    De Luca lächelte gezwungen. »Das ist wohl kaum die richtige Frage. Wo haben Sie meinen Heiligen, dottore ?«
    »Ihren Heiligen?« Überrascht griff Bosch nun doch nach der Figur.
    Sie lag schwer in seiner Hand, zu schwer für ein so altes Stück. Die behandschuhten Finger des Heiligen waren auffallend lang und schmal, zart und doch kräftig. Voller Leben, aber doch ein wenig anders als bei der Skulptur, die Bosch kannte. Verunsichert blickte er auf De Luca, dann wieder auf den Heiligen. Der Künstler hatte nicht nur eine Kopie des Originals angefertigt, er hatte dem Drang nicht widerstehen können, eine eigene Interpretation der mittelalterlichen Arbeit anzufertigen. Nur andeutungsweise und für den Laien kaum zu sehen, aber eben doch erkennbar. Bosch drehte den Heiligen um und fuhr sacht über seinen hölzernen Rücken.
    »Eine gute, eine unglaublich gute Imitation«, sagte er. »Aber die Nägel auf der Rückseite sind nicht handgeschmiedet.«
    »Genau«, sagte De Luca. »Und deswegen werden Sie mir jetzt meine Figur sofort zurückgeben.«
    Bosch konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wovon De Luca sprach. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich werde die Polizei einschalten …« De Luca schüttelte die Faust.
    Bosch stellte den heiligen Valentin rasch wieder auf den Schreibtisch und schob ihn von sich weg. Doch das schien den Professor noch mehr in Rage zu bringen.
    »Ich habe geschrieben, ich habe telefoniert, ich habe gebeten und gedroht.« Er schnappte nach Luft. »Ich weiß nicht, was an diesem Institut hier vor sich geht oder wie es zu diesem, sagen wir einmal, Tausch kommen konnte. Es ist mir auch egal. Ich will meine Figur zurück.« Seine Sonnenbräune war einer erregten Blässe gewichen. »Die traurigen Umstände des Todes von meinem … Freund Arnulf bedaure ich sehr«, sagte er. »Ich werde deshalb der Sache nicht weiter nachgehen. Aber ich will mein Original.«
    Bosch schaute zum Fenster hinüber, wo die Sonne gerade hinter einer dunklen Wolke verschwand. Das ungewöhnlich schnelle Stakkato klappernder Hufe scholl von der Gasse herauf. Anscheinend brachten die Fiaker ihre Wagen vor dem kommenden Unwetter in Sicherheit.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagte Bosch langsam.
    De Lucas Gesicht wurde ausdruckslos. »Va bene, dottore« , sagte er und nickte. »Ich hatte meine Figur des heiligen Valentin Arnulf anvertraut. Er meinte, er habe einen sehr

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