Salzburger Totentanz
werden mussten?« Katharina trat einen Schritt auf Franz zu. »Soll ich’s Hans verraten? Es ging um die Fälschung, stimmt’s? Um die Madonna bei Wüsthofen.«
»Was hat denn das alles zu bedeuten?«, sagte Bosch, wurde jedoch von Katharina mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen gebracht.
»Dein feiner Freund hier war im Park dabei, als Tappeiner zwischen die Karpfen gefallen ist. Und er hat ihn einfach ersaufen lassen.« Katharina deutete auf Franz. »Wollte er nicht mehr mitmachen? Drohte die ganze Sache aufzufliegen – wegen der Erpressung? Musste er deshalb sterben?«
Franz’ Lodenumhang hatte sich einen Spalt geöffnet. Aus dem von Hirschhornknöpfen gesäumten Dunkel tauchte seine Hand auf. Er fasste nach dem Kragen und schloss ihn fest um seinen Hals. Katharinas Mundwinkel zuckten.
»Du warst mit Tappeiner im Park, als er ertrunken ist?«, fragte Bosch.
»Ja, ich war im Park, verdammt!«, fauchte Franz und umklammerte seinen Hals. »Er ist ausgerutscht und ertrunken, der Idiot, das war’s.«
»Das war’s«, wiederholte Bosch mechanisch. Das war also der Tod eines Menschen. Zwei kurze Worte.
»Und Salchenegger?«, fragte Katharina.
Vom Himmel ertönte ein lang gezogener Schrei, und Bosch zuckte zusammen. Ein Mäusebussard nutzte das letzte Licht des Tages für die abendliche Jagd. Sein Schatten glitt in weiten Kreisen über den Holzplatz. Hoch über dem Hackstock mit der Axt verharrte der Vogel mit rüttelnden Flügeln.
Bosch räusperte sich. »Salchenegger ist an einer Pilzvergiftung gestorben«, sagte er. Er hörte selbst, wie belegt seine Stimme klang, konnte aber nichts dagegen tun. »Die Pilze waren ein Geschenk der Nachbarn. Hat mir Michi erzählt. Das ist seine Tochter.«
Franz ließ den Kragen los, stieß die Luft aus und fing an zu lachen. Er wedelte mit den Armen, was seinen Lodenumhang in rhythmische Bewegung versetzte und ihn dem Bussard ähnlich machte.
Eine Krähe flatterte mit wildem Gezeter direkt auf den Raubvogel zu, der noch immer Rufe ausstoßend seine Runden zog. Für einen Augenblick sah es aus, als würde der Bussard sich auf den schwarz gefiederten Kontrahenten stürzen, doch dann strich er unter schrillen Schreien in Richtung des Untersbergs ab. Bosch bewunderte den Mut der Krähe, die ungelenk ein Stück hinter dem stärkeren Vogel herflatterte, ehe sie zwischen den Baumwipfeln verschwand.
»Aber du hast schon recht, Katharina«, fuhr er leise fort. »Er steckt bis zum Hals in dem dreckigen Geschäft. Er ist der Fälscher.« Bosch fühlte keine Genugtuung. Der stolze Raubvogel war besiegt. Aber er selbst war in diesem Spiel halt nur die Krähe.
»Ich?«, fragte Franz. »Aber, Hieronimo, ich doch nicht. Ich bin Künstler. Ich hab’s nicht nötig, irgendwas nachzuahmen.« Natürlich, für Franz war er immer schon die Krähe gewesen. »Im Gegensatz zu gewissen Anwesenden hier.«
Der Mäusebussard war nur noch als schwarzer Punkt am Horizont auszumachen. Die Krähe war nicht mehr zu sehen.
»Mir kam schon die Madonna bei Wüsthofen so bekannt vor«, sagte er. »Und heute hat mir ein gewisser Professor De Luca deine Valentin-Kopie gebracht. Unverkennbar deine Arbeit, Franz.«
Franz war damit beschäftigt, mit der Fußspitze die Holzstücke am Boden herumzuschieben.
»Was den Ausdruck von Händen angeht, macht dir keiner was vor. Das hätte mir schon bei Wüsthofens Madonna auffallen müssen. Pacher!«
Franz schien ihm kaum zuzuhören. Er hob etwas auf. Bosch erkannte erst, was es war, als Franz das Ding zwischen den Fingern drehte. Es war eine Wurzel, die sich an beiden Enden teilte und an eine Puppe erinnerte. Katharina räusperte sich.
»Wenn du nur eine Kopie angefertigt hättest, wär ich dir vielleicht gar nicht auf die Schliche gekommen. Aber du musstest deinen Imitaten ja auch noch deine persönliche Handschrift geben.«
Eine Alraune. Die Holzfigur, die Franz in der Hand hatte, war eine Alraune. Bosch wusste, dass Alraunen etwas bedeuteten. Aber verhießen sie nun Glück oder Unglück? »Deine Eitelkeit hat dich verraten«, sagte er.
Franz spielte immer noch mit der kleinen Wurzelfigur herum. »Was – verraten?«, brummte er und rieb mit dem Daumen über das nasse Holz.
»Du bist der Fälscher, Franz.«
»Der Fälscher!« Franz drehte sich zum Tal um. »Dass ich nicht lache.« Er schleuderte die Wurzel über die Böschung in die Stadt hinab. Für ein paar Sekunden hing die Figur über dem Horizont, ehe sie endgültig abstürzte.
»Ich bin
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