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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Geruch nach feuchter Erde und modrigem Laub über den Holzplatz. Wieder tauchten die Bilder vor ihm auf, die er so lange verdrängt hatte. Die Stunden in staubigen Lesesälen. Die Berge von wissenschaftlichem Material, gesichtet, geordnet und analysiert, doch die am Ende natürlich unter Salcheneggers Namen publiziert wurden. Und doch hätte er alles für seinen Professor getan. Er räusperte sich.
    »Ich habe Salchenegger wohl … nicht gut genug gekannt«, sagte er leise. »Und du bist eine falsche Schlange, Franz.«
    Franz zog scharf die Luft ein. »Geh mir endlich aus den Augen, Hieronimo«, zischte er. »Seit Jahren verfolgst du mich mit deiner Eifersucht. Ja, schau nicht so! Meinst du, ich hätte nicht bemerkt, dass du mir jeden meiner Erfolge missgönnst? Aber dass du so weit gehst, hätte ich nie von dir erwartet. Ihr könnt mir nichts, aber schon gar nichts, beweisen!« Er warf den Kopf zurück, drehte sich um und überquerte mit großen Schritten den Holzplatz. Gefährlich nahe am Abgrund, fand Bosch, blieb er stehen und spreizte die Arme ab, sodass sich sein Lodenumhang entfaltete und ihn wie ein grüner Königsmantel umgab, die schwarzen Locken übergossen vom goldenen Licht der Abendsonne. Franz war schon immer ein Meister der Pose gewesen.
    Bosch warf Katharina einen resignierten Blick zu, den diese mit einem Schulterzucken erwiderte. Dann ging er langsam zu Franz hinüber und stellte sich neben ihn. Der Untersberg leuchtete jetzt in einem tiefen Weinrot. Die Schatten hatten ihre taubenblaue Farbe verloren, waren zu einem zarten Grau verblasst, als wäre sie von einem Löschblatt aufgesogen worden. Er spürte, dass Franz ihn aus den Augenwinkeln musterte und senkte sein Gesicht auf das kleine Salzburg unter ihnen, das wie in einem Kessel eingeschlossen lag, bedrängt von den umliegenden Bergen.
    Aus den Tiefen der Altstadt meinte Bosch, den hohlen Klang von Glocken aufsteigen zu hören. Die Salzach schimmerte weißlich im Abendlicht wie ein knöchernes Rückgrat. Schmale Straßen und Gassen zweigten zu beiden Seiten wie Rippenbögen ab und führten in die barock verschnörkelte Altstadt. Bosch konnte die plumpe grüne Kuppel des Domes ausmachen, den schwefelfarbenen Residenzplatz und das Brunnenoval mit den körperlosen Pferdeköpfen. Das alte Universitätsgebäude mit seinen kleinen Fenstern und seinen muffigen Hörsälen, in denen er schon bald wieder vor der gesichtslosen Masse unverständiger Studenten stehen würde.
    Er spürte den leichten Windhauch einer Bewegung. Vielleicht war es auch das raue Reiben des schweren Umhangs, das ihn aus seinen Gedanken riss. Franz war ein Stück näher gekommen. Seite an Seite schauten sie auf Salzburg hinab.
    »Dieses katholische Spießernest wird mir nicht fehlen. Diese Stadt erstickt sowieso jede Kreativität.«
    Bosch presste die Lippen zusammen. »Tappeiner hatte mir auch einen Vertrag angeboten.«
    »Weiß ich doch.« Franz nickte. »Aber er hat ihn nie unterschrieben.«
    Bosch schwieg.
    »Ich hätte dir die Unterschrift verschaffen können«, sagte Franz leise. »Aber das wollte ich nicht.«
    Bosch zwinkerte seinen Freund durch die dicken Brillengläser an. Auch wenn er die Worte akustisch verstanden hatte, war er sich ihrer Bedeutung nicht ganz sicher.
    »W… was?«, fragte er.
    »Es kann immer nur einen einzigen aufgehenden Stern am Kunsthimmel geben«, sagte Franz.
    »Wa… wie …?«
    Franz lachte leise und verlagerte sein Gewicht ein wenig. Die Holzstücke unter seinen Füßen knirschten.
    »Aber … aber ich habe dich Tappeiner vorgestellt. Ohne mich wärst du nichts, Franz.« Boschs Stimme verhallte schrill in der Abenddämmerung. Er hatte doch Tappeiner kennengelernt und ihm seine Bilder vorgestellt. Und ihm seinen Freund empfohlen. »Warum, Franz? Wir hätten doch beide …«
    »Wir beide? Nie im Leben.« Franz schüttelte heftig den Kopf. »Deine bunten Höllenvisionen, der ganze mittelalterliche Schwulst. Du wolltest doch immer mehr sein als ein zweiter Hieronymus Bosch, Hans. Oder etwa nicht?« Seine Augen glitzerten unter halb geschlossenen Lidern, und mehr denn je erinnerte er Bosch an eine Schlange. »Aber es gibt immer nur einen Star. Und Matteo hat das sofort kapiert.« Franz schwieg kurz, als bereite er sich auf den letzten, den tödlichen Streich vor. Er beugte sich zu Bosch hinüber, und Bosch musste genau hinhören, denn Franz’ Stimme war kaum mehr als ein Raunen. »Weißt du, du bist wirklich gut. Als Maler, meine ich. Und ich

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