Salzburger Totentanz
sein Abschiedsfest begann, zu dem sie ohnehin kommen würde, wie Franz ihm bei seinem Besuch gesagt hatte. Wahrscheinlich wollte er herausfinden, ob sie etwas von seinen Machenschaften wusste. Wie bei ihm selbst, an jenem denkwürdigen Abend im Bauernhaus. Aber was wusste Katharina wirklich? In jedem Fall mehr als er selbst.
Bosch beschleunigte seine Schritte. Endlich wurde es lichter. Der Pfad wurde breiter, die Baumriesen schienen zu beiden Seiten zurückzuweichen.
Plötzlich schoss ein Schatten vor ihm vorbei. Ein kleiner grauer Körper gaukelte und taumelte durch die Luft, ehe er wieder mit den Schatten des Waldes verschmolz. Mit jagendem Herzen blieb Bosch stehen und schaute in die Richtung, in der die Fledermaus verschwunden war.
In diesem Moment hörte er Katharina schreien.
Er lief, so schnell er konnte. Ein toter Ast auf dem Boden zerbarst krachend unter seinem Gewicht, als er aus dem Wald hinaus auf eine Lichtung stürmte.
Dort hielt er atemlos an. Die durch einen weiten Umhang verformte Gestalt eines hoch gewachsenen Mannes stand mitten auf der Lichtung und drehte sich zu ihm um.
»Franz?« Wenige Meter hinter ihm konnte Bosch einen groben Hackklotz erkennen. Von Katharina keine Spur.
»Was zum Teufel tust du hier?«, rief Franz.
»Wo ist Katharina?« Bosch ging auf ihn zu.
Franz schnaubte und trat zur Seite. Jetzt sah Bosch Katharina, die sich, eingehüllt in eine viel zu weite Regenjacke, aus Franz’ Griff befreite. Ihr Haar war zerzaust, und sie sah blass aus. Bis auf ein wenig Blut im Mundwinkel schien sie unverletzt.
»Alles in Ordnung?«, fragte Bosch. Am liebsten hätte er nach ihr gegriffen, um sich selbst davon zu überzeugen.
Katharina nickte. Franz gab keine Antwort. Unter seinem weiten Wetterfleck verschränkte er die Arme vor der Brust. Bosch blieb einige Schritte vor ihm stehen. Katharina trat an seine Seite. Über ihnen dröhnten die Triebwerke einer Abendmaschine.
»Frau Morstein wollte ein Interview mit mir machen«, sagte Franz ohne erkennbare Regung. »Wir sind gerade damit fertig geworden, nicht wahr, meine Liebe? Oder sind noch Fragen offen?«
Katharina schob die Hände mit einem Ruck in die Taschen. Etwas, das auf dem Boden lag und blinkte, schien ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Eine Axt steckte zwischen den morschen Holzabschnitten. In ihrem Blatt spiegelten sich die rasch dahinziehenden Wolken und die roten und grünen Positionslichter des Flugzeugs. Was war hier passiert?
Katharina hob den Kopf. »Du kommst genau richtig«, sagte sie. »Herr Schwarzenberger hat mir gerade gestanden, dass er Matteo Tappeiner ermordet hat.«
Was? Bosch meinte, sich verhört zu haben. Aber Katharinas Augen waren weit aufgerissen und starr. Die wirren roten Locken und ihr weißes Gesicht erinnerten ihn an die Darstellung der Medusa. Sogar der kleine Blutfleck an ihrem Mund passte dazu.
Franz bückte sich und hob die Axt auf.
»Vorsicht!«, schrie Katharina. »Die Axt! Er hat mich bedroht. Wenn du nicht gekommen wärst, hätte er mich damit umgebracht.«
»Blödsinn.« Franz ging zum Hackblock, wo er mit einer schnellen Bewegung die Axt in die Höhe schwang und das Blatt mit einem kräftigen Hieb im Block versenkte. Dann schob er die Hände in die Hosentaschen.
»So«, sagte er zu Katharina. »Besser? Und jetzt beruhigen Sie sich endlich. Niemand will Ihnen hier was tun. Oder, Hieronimo? Sie hat mich interviewt, und ich hab ihr erzählt, dass das Haus keine Heizung hat. Dass ich jeden Tag Holz hacken muss. Deswegen die Axt …« Er seufzte. »Eigentlich sollte ich wegen dieser idiotischen Anschuldigungen beleidigt sein.«
Katharina starrte Franz an. Sie atmete schnell. »Ach ja«, sagte sie und schlang die Arme in den viel zu weiten Jackenärmeln um sich, als wollte sie sich selbst festhalten. »Dann erzählen Sie Ihrem Freund doch von dem nächtlichen Treffen mit Tappeiner im Park.«
Bosch zwinkerte erst Katharina und dann Franz an. Irgendwie hatte er das Gefühl, als hätte das Gespräch der beiden noch einen Hintersinn, den er nicht verstand. Hatte Franz Katharina wirklich mit dieser Axt bedroht, wie sie behauptete? Und was sollte das Gerede über Tappeiner? Er traute Franz alles zu. Trotzdem, wenn Bosch in diesem Moment zwischen beiden wählen müsste, würde er sich nicht für Katharina entscheiden. Sie war ihm unheimlich.
»Was war denn so dringend an Ihren … geschäftlichen Differenzen, dass sie noch gleich nach der Oper im Hellbrunner Park besprochen
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