Salzburger Totentanz
kein Fälscher.« Franz senkte die Stimme auf dem letzten Wort. »Ich schaffe Kunstwerke. Echte! Wer meine Arbeiten kauft, wird nicht betrogen.«
»De Luca wurde betrogen«, sagte Bosch. »Sein Valentin ist eine Kopie und steht auf meinem Schreibtisch. Das Original steht bei dir.«
»Was? Noch eine Kopie?«, rief Katharina. Ihr Ton war der gleiche, wie auf der Autofahrt nach ihrem Besuch bei Wüsthofen. Erst jetzt fiel Bosch auf, dass Katharina keine Schuhe anhatte.
»Quatsch«, entgegnete Franz. »Der Valentin war eine Art Honorar. Was weiß ich, woher ihn Matteo hatte. Keine Ahnung, was der sonst noch für Geschäfte gemacht hat.« Er rieb die Finger aneinander, als würde er Geld zählen. »Und was deine persönliche Handschrift betrifft, mein lieber Hieronimo, das wirst du mir erst mal beweisen müssen.« Er drehte seine kräftigen Hände hin und her. »Vielleicht tragen diese so angeblichen Fälschungen ja auch deine Handschrift? In fremden Handschriften bist du doch der große Meister, oder nicht?« Er lachte kurz auf.
Bosch wandte sich um. Jenseits des Tales erhob sich der Untersberg. Seine steinernen Hänge leuchteten ziegelrot im Abendlicht. Aber in den Felsspalten lagen schon Schatten. Er schaute auf die von den letzten Sonnenstrahlen noch goldüberglänzten Dächer Salzburgs hinab. Darunter saßen jetzt die braven Städter beim Abendessen und genossen den Feierabend. Aber ihn hatte diese bürgerliche Idylle nie gereizt, genauso wenig wie Franz.
»Hobbyschnüffler«, sagte Franz.
Bosch vernahm es nur am Rande.
»Und was ist mit der Erpressung?«, fragte Katharina. »Ich habe den Erpresserbrief … und den Erpresser!«
»Wen?« Bosch drehte sich zu ihr um. Hinter sich konnte er noch leise den Stadtlärm hören, der aus dem Tal heraufstieg. Katharinas Augen wirkten fast schwarz in dem weißen Gesicht. Ihr Hals ragte dünn und nackt aus dem weiten Kragen der zu großen Wachsjacke heraus, was ihr ein wenig das Aussehen eines Geiers verlieh. Und warum trug sie keine Schuhe?
»Den Studenten«, sagte Katharina. »Diesen Sebastian Michalek, der gestern in der Uni die Treppe runtergefallen ist. Ich hab ihn im Krankenhaus besucht.« Sie fuhr mit dem langen Ärmel gerade durch die Luft, als wollte sie etwas durchschneiden. »Er hat alles gestanden.«
»Wer?«, fragte Bosch. »Sebastian Michalek?«
Katharina nickte wortlos.
Franz zog eine Augenbraue hoch. »Wer soll das sein? Und worum geht’s hier?«
»Die Madonna stammt aus dem Herrgottschnitzerladen seines Großvaters in Oberammergau.«
Wovon redete Katharina? Franz war der Fälscher, und Wüsthofen hatte seine Madonna von Tappeiner. Das war’s.
»Verstehe«, sagte Franz. »Hieronimo, du Meisterdetektiv. Da hast du deine Fälscherwerkstatt. Ein Herrgottschnitzer in Oberammergau, dass ich nicht lache.« Er lachte. »Dein Prof ist einfach ins nächste Geschäft marschiert. Eine Fälschung bitte, und packen Sie sie mir gut ein. Matteo hatte also doch nichts damit zu tun, hm?« Franz wurde ernst. »Und ich auch nicht, kapiert?«
Katharina schüttelte den Kopf. »Ich denke, Tappeiner hat die Figur gekauft. Aber Salchenegger hat sie mit einem falschen Gutachten versehen.« Sie verzog den Mund. »Und unser Maestro hier war der Herrgottschnitzer, dein honoriger Professor der falsche Gutachter und Salzburgs bekanntester Galerist der Hehler.«
Franz stand unbewegt neben dem Hackklotz. Ein Muskelzucken auf seiner Wange war die einzige Gefühlsregung, die Bosch erkennen konnte. Doch dieses Zucken kannte er. Es ging immer einem von Franz’ Gefühlsausbrüchen voraus.
»Alles wäre wunderbar gelaufen«, fuhr Katharina fort, »wenn nicht dieser dumme Junge beschlossen hätte, sich ein paar Vorteile zu verschaffen und seinen Professor zu erpressen. Wegen deiner Stelle übrigens, Hans.« Bosch hatte den Eindruck, als könnte sie das nicht verstehen. »Tappeiner hätte doch nie seine Galerie aufs Spiel gesetzt, der wollte also aussteigen. Für ihn war der Handel mit den Heiligen ohnehin nicht mehr als ein willkommenes Zubrot. Aber für Sie, Maestro? Sie hätten bis zum Sankt Nimmerleinstag weitergeschnitzt. Und warum nicht das Geschäft allein machen? Nur – dafür musste Ihr Freund und Entdecker verschwinden.« Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger quer über den Hals. Franz zog den Kopf ein. »Und wenn Salchenegger nicht gestorben wäre, wer weiß?«
Bosch wandte sich von den beiden ab. Vor ihm erhob sich der dunkle, regennasse Wald. Ein leiser Luftzug wehte den
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