Salzige Küsse
eigentlich gekauft?«
»Von der vorherigen Besitzerin natürlich.«
»Ja, klar. Aber wie heißt sie genau und wie sieht sie aus?«
»Warum willst du das wissen?«
»Es interessiert mich einfach.« Eve sah ihren Vater an und wartete. Er würde schon anbeißen.
Papa ließ die Zeitung sinken. »Ihr Name ist Fräulein Annabelle Leenders.«
»Sie war nie verheiratet?«
»Ich nehme es nicht an, nein. Sonst wäre sie kein Fräulein mehr.«
»Wie kommt das?«
»Wie kommt was?«
»Dass sie nie geheiratet hat?«
»Woher soll ich denn das wissen? Sie wird schon einen guten Grund gehabt haben. Vielleicht ist sie lesbisch. Oder sie ist einfach nicht dem Richtigen begegnet.« Papa wandte sich wieder seiner Zeitung zu, aber Eve war noch nicht fertig.
»Wie sieht sie aus?«
»Ganz normal, wie eine alte Frau eben. Was denkst du denn?«
Eve holte das Foto hinter ihrem Rücken hervor. »Ähnelt sie ihr?« Papa warf einen flüchtigen Blick auf das Foto und ließ die Zeitung dann erneut sinken. Er nahm Eve das Porträt aus den Händen und betrachtete es genauer. »Woher hast du das?«
»Im Keller gefunden.«
Papa schaute nun interessiert.
»Ähnelt sie ihr?«, drängte Eve.
»Sie könnte es sein«, antwortete Papa schließlich, als er Eve das Bild zurückgab. »Was hast du damit vor?«
Eve zuckte mit den Schultern. Sie wusste es nicht. »Behalten. Vorläufig. Bis ich herausgefunden hab, wer sie ist.«
»Hast du noch mehr Fotos gefunden?«
Eve schüttelte den Kopf. »Vielleicht waren noch mehr da, aber die sind dann jetzt alle im Container gelandet.«
»Na ja, so wichtig ist es auch wieder nicht«, beschloss Papa und las weiter.
Als Eve und Lies gestern in den Keller gekommen waren, hatte Mama ihre Ecke gerade leer geräumt. Die meisten Sachen, die dort gelegen hatten, waren in Müllsäcke gestopft. Eve war sauer gewesen. Eigentlich war sie das noch immer.
Warum hatte Mama das so demonstrativ tun müssen? Gerade so, als würde Eve alles, was sie noch im Keller finden würde, plötzlich aufheben wollen, nur weil sie ein einziges Foto behaltenhatte. Vielleicht hatte es noch mehr Hinweise auf die Frau gegeben, aber die waren jetzt für immer im Müll gelandet.
Eve starrte aus dem Fenster zu dem Container, der neben dem Haus stand. Er war fast voll. Mama würde bald nicht weiter ausmisten können. Aber NOCH ist der Container da, wurde Eve plötzlich klar.
Zwei Minuten später stand sie neben dem Eisenmonster im Garten.
Und jetzt? Wo um Himmels willen sollte sie anfangen?
Sie stieg auf die Leiter, die am Container lehnte, und versuchte das Schlachtfeld zu überblicken. Auf gut Glück fummelte sie an ein paar Müllsäcken herum. Der faulende Geruch von Küchenabfällen schlug ihr entgegen. Das war nicht die richtige Stelle. Ein Stück weiter sah sie einen Sack voller Plastiktüten und einen Karton mit Dingen, die eigentlich in den Sondermüll gehörten. Hier würde sie sicherlich nichts finden.
»Eve, was machst du da?«
Eve sah zu ihren Brüdern, die auf ihren Rädern schlingernd die Auffahrt raufkamen. »Ich suche etwas«, murmelte sie abwesend.
»Du suchst etwas?«
Eve wusste, auch ohne aufzuschauen, dass die Zwillinge einen erstaunten Blick miteinander tauschten. »Und was soll das sein?«
Endlich sah sie auf. »Das weiß ich nicht.«
»Wie kannst du denn etwas suchen, wenn du nicht mal weißt, was?«
Energisch zog Eve den nächsten Müllsack auf. »Offensichtlich geht das, denn das mache ich gerade, wie du siehst.«
Frederik kletterte langsam die Leiter herauf und balancierte auf einem Stapel Zeitschriften. »Wenn du uns verrätst, was dusuchst, können wir vielleicht helfen. Hier liegt nämlich ziemlich viel Zeugs.«
Eve ließ sich an den Containerrand sinken. »Okay, ich versuch’s.«
Mit Händen und Füßen erzählte Eve von dem Porträt im Keller. Sie nahm die Jungen mit in ihr Zimmer, um es ihnen zu zeigen. Max war längst mit den Gedanken woanders, sah sie. Nicht spannend genug, kein sofortiger Erfolg garantiert. Aber Frederiks Interesse war geweckt.
»Meinst du, das ist die Frau, die vor uns hier gewohnt hat?«
»Ich glaube schon, wer könnte es sonst sein?«
»So ungefähr jeder«, murmelte Max.
»Vielleicht ist sie es wirklich«, überlegte Fré. »Also suchst du nach irgendetwas, das mit diesem Foto zusammenhängen könnte.«
Eve nickte.
»Ich helfe dir!«
Max zögerte. »Okay«, brummte er schließlich. »Ich werde auch mal mitschauen, obwohl ich das alles nicht so recht
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