Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
waren sie gekommen, in das hochklassige Alpenbad, in dem sich der österreichische Hochadel zur Sommerfrische versammelte. Hier war sie schon seit einigen Tagen.
„Ich komme bald zurück“, hatte er versprochen, dann war er fortgegangen, hatte ihr Angebot, mitzukommen und zu helfen, abgelehnt. „Bald“ war ein schwieriges Wort. Es konnte vieles bedeuten. Sie hatte auf den nächsten Tag gehofft, doch da war er noch nicht gekommen, und auch nicht am übernächsten oder überübernächsten. Jeder Tag war vergangen und zur Nacht geworden, und er war ohne eine Nachricht, ohne ein Lebenszeichen ausgeblieben.
In der vergangenen Nacht hatte sie den Alptraum gehabt, und dieser handelte ausnahmsweise nicht von ihrer Gefangenschaft bei der Bruderschaft des Lichts, jenem obskuren Orden religiöser Fanatiker, der die Welt von den Fey befreien wollte. Diesmal war der Traum gänzlich anders gewesen, mehr wie eine Vision dessen, was geschah und was auf sie zukam.
Sie sprang aus dem Bett und stolperte durchs Zimmer, fiel beinahe in der Dunkelheit. Sie schaffte es gerade noch bis zum Waschgeschirr, ehe ihr Magen rebellierte und ihr übel wurde.
Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie fühlte sich grauenhaft, und gleichzeitig war ihr ihre physische Reaktion etwas peinlich. Kinder waren ein Segen, hieß es, doch im Moment sah sie sich außerstande, mit dieser Erkenntnis konform zu gehen. Je mehr man darüber nachdachte, desto logischer wurde, warum die Natur manche sinnlichen Genüsse so besonders angenehm gemacht hatte. Ohne die Verlockung körperlichen Vergnügens hätten Frauen vermutlich sonst spätestens nach der ersten Schwangerschaft für den Rest ihres Lebens den Zölibat bevorzugt.
Sie dachte an ihren Ehemann und seine Küsse und lächelte reuig. Den Zölibat würde sie nie wählen. Sie seufzte, kroch zurück ins Bett und fiel noch einmal in unruhigen Schlummer. Es schien ihr, als wären nur Augenblicke vergangen, als es an der Tür klopfte. Eine Stimme mit starkem österreichischem Akzent drang durch das Holz.
„Entschuldigen Sie, gnädige Frau. Da ist Besuch für Sie. Ich habe gesagt, daß Sie noch nicht auf sind, aber sie besteht darauf, Ihren Herrn Gemahl zu sprechen.“
„Wer?“ fragte Corrisande durch die geschlossene Tür und versuchte, ihre verschlafenen Gedanken zu sammeln.
„Eine Mademoiselle Denglot. Sie sagt, sie will mit Ihnen sprechen, falls der Herr Gemahl nicht da ist.“
Cérise Denglot, die ehemalige Geliebte Ihres Gatten. Es war unverfroren von der schönen Opernsängerin, zu dieser unmöglichen Morgenstunde einen Besuch bei ihrem Exliebhaber und dessen Frau zu machen.
Corrisande würde sie selbstverständlich nicht empfangen. Es ziemte sich nicht, die ehemalige Angebetete seines Ehemannes willkommen zu heißen. Es war unmöglich, skandalös schon fast. Besonders, da sie sich so schlecht fühlte und vermutlich noch schlechter aussah. Die Sängerin würde wie immer großartig aussehen und sie selbst bleich und verhärmt. Alptraumzerfressen. So wollte sie der Dame auf keinen Fall begegnen.
Philips voreheliche Romanzen machten ihr nichts aus. Es hatte mehr als nur eine Dame seines Herzens gegeben. Doch Cérise war weitaus mehr gewesen als nur die gutaussehende Ablenkung eines wohlsituierten Herrn: eine echte Partnerin. Eine mutige, selbständige Frau, die er nicht nur geliebt hatte, weil sie schön und verfügbar, sondern weil sie in vielen Dingen ein ganz besonderer Mensch war.
Er war sehr ehrlich gewesen. Corrisande wünschte fast, er hätte die Angelegenheit etwas mehr verbrämt. Doch sie verstand, daß seine Offenheit zum Ziel hatte, ihr zu verdeutlichen, daß das, was er für sie als seine Ehefrau empfand, wieder etwas ganz anderes war.
Dennoch würde sie Cérise nicht empfangen. Schon gar nicht zu so nachtschlafender Zeit. Sie würde sie abweisen. Es gab keinen Grund, anders zu handeln. Absolut keinen.
„Sagen Sie ihr, ich werde so schnell wie möglich bei ihr sein, und bringen Sie mir frisches Waschgeschirr – ich fürchte, ich habe dieses beschmutzt. Ach, und schicken Sie mir meine Zofe.“
Corrisande rappelte sich mühsam auf und schloß die Augen, während das Zimmer um sie herum sich drehte. Nicht schon wieder.
„Bitten Sie Mademoiselle Denglot, auf mich zu warten. Ich werde mich beeilen. Bieten Sie ihr ein paar Erfrischungen an.“
Cérise Denglot, die beste und schönste Sopranistin der Welt, stattete ihr einen Besuch noch vor dem Frühstück ab. Dafür gab es gewiß einen
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