Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
als wolle er ihr mitteilen, daß er nichts dagegen hätte, wenn sie und die anderen Damen in der Nähe blieben. Seine Augen wanderten von ihr zu Cérise und blieben bei Marie-Jeannette hängen, die er wahrscheinlich als seinem Stand eher zugehörig ansah. Sie war erreichbar. Sollten sie hier eingeschneit werden, so würde es der Zofe nicht an Unterhaltung fehlen.
Corrisande nickte. Beinahe konnte sie den Winter schon durch den trügerischen Sonnenschein hindurch riechen. Dies war ein kaltes, hartes Land, trotz seiner wilden Pracht.
Der ältere Bootsmann befahl etwas, und der Jüngere schleppte das Gepäck auf das Wirtshaus zu. Eine Frau mittleren Alters trat vor die Haustür und beobachtete sie mit zweifelndem Blick. Sie trug ein ausgeblichenes rotes Kleid, das eine schwarzblaue Schürze fast verdeckte. Ein Schal mit Blumenmuster war um ihre Schultern gelegt wie ein Fichu. Ihr Haar verschwand unter einem schön geknoteten Kopftuch. Frau Treynstern trat auf sie zu.
„Grüß Gott, Frau Wirtin“, sagte sie und begann, mit ihr zu sprechen. Mißtrauen spiegelte sich im Gesicht der Frau. Sie schien den Gedanken nicht zu mögen, so ausgefallene Gäste in ihrer Poststation zu haben, und gar Damen ohne männliche Begleitung. Ihre Stimme klang säuerlich, und obgleich ihre Worte zu schnell und zu sehr im örtlichen Dialekt gehalten waren, als daß Corrisande sie hätte verstehen können, begriff sie doch, daß die Wirtin ihnen vorschlug zurückzufahren. Da sie jedoch keinerlei Absicht zeigten, dies zu tun, lud sie sie schließlich mit einer Handbewegung ein, ihr zu folgen, stieg die kurze Treppe hoch zum ersten Stock und verließ sie dort.
„Wir werden ein Zimmer teilen müssen“, erklärte Frau Treynstern auf Englisch. „Sie drückt sich umständlich aus, aber es scheint, als seien ihre anderen Zimmer vermietet, und sehr viel Platz hat sie ohnehin nicht. Mlle. Denglot, Mrs. Fairchild und ich werden ein Zimmer gemeinsam haben, und Marie-Jeannette wird ihr Bett mit der Magd teilen, im Speicher.“
„Oh nein!“ widersprach Marie-Jeannette. „Ganz bestimmt nicht. Ich bin Zofe, keine Bauernmagd.“
„Marie-Jeannette! Wir müssen es nehmen, wie es kommt. Du weißt, worum es hier geht.“
„Ja. Um Traumtänzerei“, antwortete die kleine Französin ärgerlich. „Bis jetzt wissen wir nicht einmal, ob die Herren wirklich verschollen sind. Genauso gut können sie jetzt in Ischl sitzen, und wir hocken in dieser gottverlassenen Ecke am Ende der Welt.“ Das anmutige Mädchen hatte zu schmollen aufgehört und war nun richtig wütend.
„Wirklich, Corrisande“, schalt Cérise nun und blickte durch Marie-Jeannette hindurch, als stünde sie nicht da, „Sie sollten Ihrem Gesinde nicht ein solches Benehmen durchgehen lassen. Wenn sie meine Zofe wäre, hätte ich sie längst im hohen Bogen hinausgeworfen.“
„Wenn ich Ihre Dienerin wäre, hätten Sie wenigstens etwas Vernünftiges zum Anziehen dabei, was zu dieser Gegend paßt. Sie sehen aus, als wollten Sie den örtlichen Fischern ein Konzert geben. Dieses Lied über die Forelle vielleicht. Das mögen die bestimmt“, fauchte sie und vergaß dabei sowohl Stand als auch Anstand. Dann knickste sie und fügte mit einem frechen Lächeln hinzu: „Wenn ich so frei sein darf, Mademoiselle.“
Mademoiselle war nicht geneigt, sie so frei sein zu lassen. Eine heftige Szene bahnte sich an. Frau Treynstern vermittelte.
„Das hilft uns nicht weiter. Ich gehe davon aus, daß wir alle – auch Marie-Jeannette – schon einmal eleganter gewohnt haben. Doch mehr als ein Zimmer ist nun einmal nicht frei, und es wird nicht besser, wenn wir uns streiten. Mlle. Denglot, ich bin sicher, daß Ihre eigene Kammerzofe einen anderen Ton anschlägt. Es dürfte Ihnen aber nicht entgangen sein, daß das Fräulein mehr eine Vertraute denn eine Bedienstete ist, nicht wahr, Mrs. Fairchild?“
Corrisande nickte.
„Marie-Jeannette, ich bin mir sicher, du wolltest Mlle. Denglot nicht beleidigen, also entschuldige dich sofort. Wir haben weder Zeit noch Muße, uns über Annehmlichkeiten oder Etikette zu echauffieren.“
Die schöne grünäugige Sängerin funkelte die schöne grünäugige Kammerzofe an, die mit der gleichen unbeugsamen Intensität zurückfunkelte. Dann senkte das Mädchen den Blick und knickste allzu artig.
„Tut mir leid, Mlle. Denglot. Ich habe mich im Ton vergriffen. Bitte verzeihen Sie“, sagte sie giftig.
„Nun“, erwiderte die Sängerin indigniert, „ich muß schon sagen
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