Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Mäßigung, keine Skrupel, keine Grenzen. Was immer er wollte, würde er ohne Bedenken durchführen.
„Sie wußte nur, daß ein Mann in ihrem Haus erschossen wurde. Was sie getan hat, mag falsch gewesen sein, aber es zeigt, daß sie Mut und Entschlossenheit besitzt.“
„Tut mir leid, wenn ich Ihnen die Illusionen rauben muß, Meyer, doch ich kann Ihnen versichern, daß nicht mehr dazu gehörte als weibliche Geilheit und eine widernatürliche Vorliebe für ebenso widernatürliche Kreaturen. Sollten die beiden den Bergrutsch überlebt haben, dann bin ich mir sicher, daß sie ihm freudig jeden Dienst angedeihen läßt, den er von ihr erfragt und vermutlich noch mehr darüber hinaus.“
„Ich finde Ihre Haltung zutiefst anstößig.“
„Ich finde Ihre Haltung zutiefst naiv. Sie vergessen, daß ich die Dame mein halbes Leben kenne.“
Das war nicht von der Hand zu weisen. Vielleicht war sie ja so, wie Waydt andeutete. Asko mochte es nicht glauben, doch er hatte auch nicht geglaubt, daß Corrisande Feyonblut in den Adern hatte und einen anderen Mann bevorzugte. Was Frauen anging, versagte seine Einschätzung. Es war immerhin möglich, daß Fräulein von Sandling nichts als eine Hetäre mit einer Vorliebe für nichtmenschliche Partner war.
Doch egal. Wie immer Charlotte von Sandlings Moralbegriffe auch aussehen mochten, sie verdiente es trotzdem nicht, elend in der Finsternis zu verenden. Asko erinnerte sich ihres zitternden Körpers nach dem Angriff auf sie. Würde eine Frau mit entsprechender geschlechtlicher Erfahrung so reagieren?
„Wenn Sie der Meinung sind, sie sei eine verkommene Frau, verstehe ich umso weniger, daß Sie versäumt haben, ihr mitzuteilen, daß Sie Ihre Verlobung als gelöst betrachten.“
„Ich muß mich Ihnen gegenüber nicht rechtfertigen.“
„Ich bin auch gar nicht an irgendwelchen fadenscheinigen Erklärungen interessiert, von Waydt. Unabhängig davon bleibt die Frage, was wir mit Fräulein von Sandling tun, sollte sie sich bei dem Feyon befinden.“
„Meine Herren!“ fuhr der Professor dazwischen. „Wir werden sehen, was kommt, und uns entsprechende Gedanken machen, wenn es nötig werden sollte. Kümmern wir uns lieber darum, diese Kreatur zu bekommen – mit oder ohne die Frau, egal was sie ist. Hure oder Opfer – sie ist nicht unser Problem.“
Marhanor meldete sich erneut zu Wort.
„Wir haben in der Tat andere Prioritäten. Wenn ich meine Kunst dazu verwende, das Geschöpf ausfindig zu machen, brauche ich dafür meine volle Konzentration. Andere Sprüche werde ich nicht mehr erneuern können.“
„Was ist mit den Gefangenen?“ fragte einer der Techniker.
„Welche Gefangenen?“ fragte Asko, bestürzt, daß immer mehr Unschuldige in diesen Wahnsinn mit hineingezogen wurden, für deren Tod er mit verantwortlich sein würde, wenn er nicht bald etwas unternahm – nur was?
„Dieser Fairchild und die beiden anderen.“
Asko hielt beharrlich an sich, um keine Miene zu verziehen. Sie hatten Delacroix. Dann hatte er sich Corrisandes Gesicht doch nicht eingebildet. Bald würde die junge Frau Witwe sein. Schrecklich, nach nur einem halben Jahr im Ehestand.
Doch wenn Delacroix hier war, hieß das, daß auch andere Nationen von den Vorgängen Wind bekommen hatten. Eindrucksvoll. Das Unterfangen war noch nicht einmal dem Kaiser bekannt, aber die Briten hatten schon ihren besten Mann auf die Sache angesetzt.
Da fiel ihm ein, daß Delacroix nach seinem letzten Auftrag den Dienst quittiert hatte. Er war jetzt Privatier, und seine Frau hatte er auch hierher mitgenommen. Das hätte er nicht getan, wenn er in offiziellem Auftrag hier wäre. Oder?
Asko hätte es nie getan. Doch Delacroix war anders. Er hatte eine ungewöhnliche Meinung bezüglich Frauen. Er dachte, man unterschätze sie bei weitem. Er hatte Corrisande einer Gefahr ausgesetzt, die sie fast getötet hatte, während Askos Instinkte dahin gingen, Frauen unter seine Fittiche zu nehmen und vor der bösen Welt zu beschützen. Er sah beschämt an sich hinunter und erinnerte sich daran, wie Charlotte ihn gegen das Schienbein getreten und aus dem Weg gedrängt hatte.
Sie hatte sich gegen ihn gewehrt. Sie hatte mutig gegen sie alle gekämpft, getreten, gekratzt, gerungen und von Waydt und dessen Leute ungestüm beleidigt. Ihr Mut war ungebrochen gewesen, bis der elende Widerling versucht hatte, ihr die Ehre zu rauben.
Er fragte sich, ob sie noch lebte. Vielleicht war sie im Steinhagel gestorben. Er stellte sich vor,
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