Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
klargemacht: Wenn sie ihre geliebten Männer nicht fanden, dann mochten sie sie niemals wiedersehen. Marie-Jeannette packte still die Koffer aus.
„Danke“, sagte Corrisande. „Am besten bringst du deine Sachen jetzt zu deiner Schlafstatt, danach kannst du uns beim Mittagessen behilflich sein. Ich weiß, das gehört nicht zu deinen Aufgaben. Aber es kann nicht schaden, wenn du dich mit diesem Gasthaus vertraut machst und vielleicht mit den anderen Bediensteten sprechen kannst – falls es welche gibt.“
„Ich kann nicht gut Deutsch“, antwortete die Kammerzofe ausdruckslos.
„Ich weiß. Aber du hast Augen im Kopf und ein ausgesprochenes Talent, dich verständlich zu machen. Wir verlassen uns auf deinen Beistand.“
Das Mädchen knickste und ging.
„Ihre Zofe ist mehr als ungewöhnlich“, bemerkte Cérise einige Augenblicke später trocken.
„Das ist sie“, pflichtete Frau Treynstern bei, „und außerdem ganz außergewöhnlich hübsch.“
„Sie war nicht immer eine Zofe, und sie wird auch nicht immer eine Zofe bleiben. Sie hat andere Pläne – und Potential.“
„Sie ist ein unhöfliches Mädchen“, beanstandete die Sängerin.
„Das wird sie nicht daran hindern, in dem Bereich erfolgreich zu sein, den sie im Auge hat. Sie ist klug und lernt außerordentlich schnell.“
„Haben Sie ihr Englisch beigebracht?“ fragte Frau Treynstern.
„Ja, und auch ein bißchen Deutsch, doch damit fange ich gerade erst an. Ihr familiärer Hintergrund ist ein wenig außerhalb der Norm, aber ich habe keine Zweifel, daß sie in der Lage sein wird, sich ihr Leben so einzurichten, wie sie das vorhat. Sie ist noch sehr jung. Noch nicht volljährig.“
„Aber Sie unterweisen sie in Dingen, die ganz außerhalb ihres Standes liegen. Ist das klug?“
„Wie gesagt, sie wird nicht mehr lange meine Zofe sein. Sie hat andere Pläne.“
„Die Bühne?“ fragte Cérise.
„Das – oder etwas anderes. Philip würde ihr helfen, sich als erstklassige Modistin in London etablieren, vorausgesetzt, sie entscheidet sich zu so einer Karriere. Sie hat sich aber noch nicht entschieden.“
„Eine Kurtisane“, vermerkte die Sängerin.
„Sie könnte recht erfolgreich sein“, erwiderte Corrisande und wurde rot dabei.
„Ist Ihr Ehemann damit einverstanden, daß Sie eine Kurtisane ausbilden?“ fragte Frau Treynstern mit schlecht verhohlener Neugier.
Corrisande errötete noch tiefer.
„Ich bringe ihr Sprachen und gutes Benehmen bei. Das ist alles, was ich tue – und: nein. Er hält von diesen Plänen absolut nichts. Deshalb hat er ihr auch vorgeschlagen, ob sie nicht ihr Talent, Damen schön und elegant zu machen, zu ihrem Lebensziel machen möchte. Sie ist absolut gut darin, hat einen ausgezeichneten Geschmack und ein natürliches Gespür dafür, wie man seine besten Seiten akzentuiert.“
Ein abfälliges Lächeln glitt über das Gesicht der Sängerin.
„Ich nehme nicht an, daß sie Lektionen in praktischeren Fächern braucht“, spöttelte sie. „Der junge Ruderer hat sie ja fast mit Blicken verschlungen, und es würde mich keineswegs erstaunen, wenn die beiden heute Nacht eine Runde im Heu drehten.“
„Also wirklich! Mlle. Denglot!“ Frau Treynstern versuchte, die Tirade der Sängerin aufzuhalten, klang allerdings eher amüsiert denn tief schockiert.
„Sie unterschätzen sie, wenn Sie glauben, sie würde sich für irgendeinen Niemand fortwerfen. Ich muß sagen, ich begreife Ihre moralische Entrüstung nur zum Teil. Ich möchte bei Gott niemanden beleidigen, aber eine allzu genaue Untersuchung unserer Lebensentscheidungen in Bezug auf die gängigen Moralbegriffe würde vermutlich keiner von uns gut tun.“
Wieder senkte sich Stille über die Gruppe. Die drei Frauen schluckten Worte hinunter, die sie besser nicht sagen wollten, wenn diese nicht fürderhin zwischen ihnen stehen sollten. Schließlich begann Frau Treynstern, reumütig zu lachen.
„Sie haben Recht, liebe Mrs. Fairchild. Auch wenn ich Ihre Direktheit diesmal nicht begrüße. Ich habe Jahre mit einem Liebhaber verbracht, mit dem ich nicht verheiratet war, und hätte er nicht das Talent gehabt, Menschen uns vergessen zu machen, hätte mich das vollständig ruiniert. Ich habe ihn geliebt, mit ganzem Herzen und ganzer Seele. Was ich tat, habe ich aus Liebe getan. Gleichwohl wäre ich in den Augen der Welt als unverheiratete Geliebte eines Mannes nichts als eine Bajadere. Also sollte mich so etwas tatsächlich nicht schockieren. Ich habe später
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