Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
überheblich war. „Meine Frau und ich reisen heute zurück nach Aussee und würden gern hier warten, bis wir eine Fahrgelegenheit organisiert haben. Können Sie uns behilflich sein?“
In ihren Augen machte sich Panik breit, ihre Blicke gingen von von Görenczys Gesicht zu seinem Gepäck, das er abgestellt hatte, und wieder zurück zu ihm.
„Ihre Frau?“ fragte sie tonlos.
„Ja, meine Frau.“ Er nickte. „Sie hat draußen Platz genommen und genießt die Morgensonne. Vielleicht können wir ja einen Raum mieten, in dem wir warten können?“ Er griff in die Tasche und holte einige Münzen hervor, die er ihr auf der flachen Hand entgegenhielt.
Ihr Blick wandte sich dem Geld zu und wich nicht mehr davon.
Dann griff sie danach, und es verschwand so schnell in ihrem Kleid, daß Udolf sie nie und nimmer hätte aufhalten können.
„Nach Aussee?“ fragte sie mißtrauisch.
„Richtig. Unsere Flitterwochen sind vorbei. Wir sind auf dem Weg zurück nach … Wien.“
Sie musterte ihn kritisch. Dann wies sie mit einer Kopfbewegung auf eine Tür.
„Da drin können Sie warten. Ich werde meinem Sohn auftragen, daß er eine Kutsche für Sie mietet. Er fährt bald nach Aussee, und da kann er eine für Sie mieten, die Sie hier abholt – und Ihre Frau auch.“
„Oh,“ antwortete Udolf. „Warum können wir nicht gleich mit ihm fahren? Wir würden auch dafür bezahlen.“
Sie musterte ihn ängstlich.
„Er nimmt das Fuhrwerk. Das paßt sich nicht für Sie, gnä‘ Herr.“
„Wir haben es eilig, wissen Sie.“
Sie nickte erneut.
„Waren Sie letzte Nacht bei Ladners?“ fragte sie argwöhnisch.
„Bei wem?“ fragte er zurück, da ihm nicht einfiel, was er sagen sollte.
Die Frau wollte eben die Frage wiederholen, als die Tür sich öffnete und Marie-Jeannette eintrat, von Kopf bis Fuß gekränkte Würde.
„Martin“, begann sie in einem zutiefst beleidigten Tonfall. Sie sprach gebrochenes Deutsch mit französischen Einlagen. „Kannst du nicht ein klein wenig sein plus vite? Ich will heim. Wir hätte nicht kommen sollen. Es war keine gut‘ Idee. Hier ist es zu kalt, um romantisch zu sein.“
„Romantisch“, wiederholte Udolf ruhig.
„Natürlich, du hast gesagt, hier wäre es romantisch, und hast die Kutsche fortgeschickt. Aber es ist nicht romantisch, gar nicht, pas du tout. Ich will nach Hause.“ Sie schmollte und sah ihn vorwurfsvoll an. Ihre Unterlippe zitterte leicht, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen.
„Liebling, wir fahren doch gleich heim. Diese gute Frau …“
„Warum hast du nur die Kutsche zurückgeschickt? Je ne comprends pas . Das war keine gute Idee. Die Berge sind hier so hoch und niederdrückend.“
„Hoch und …?“
„Deprimierend.“
„Aber sie sind sehr schön ...“
„ A bas ! Jetzt wirst du gleich erklären, sie wären romantisch!“
„Mein Kind, natürlich …“
„Vielleicht wären sie romantisch, wenn du nicht immer streiten würdest. Toute la nuit . Die ganz‘ Nacht. Wie kann etwas romantisch sein, wenn du immer streitest?“
„Liebling! Christine. Sei doch …“
In diesem Augenblick begann sie zu Udolfs Entsetzen in ihr Taschentuch zu weinen. Er stand hilflos da. Was tun? Diese Art von Einmischung hatte er nicht erwartet. Was mochte das Mädchen beabsichtigen?
Doch die reservierte Frau reagierte jetzt. Sie trat vor, öffnete die Tür zum Hinterzimmer und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, er solle das erschütterte Mädchen dort hineinführen. Ihr Gesicht zeigte deutlich ihr Mißfallen. Offenbar verabscheute sie die tränenreiche Szene und fand, diese solle wenigstens nicht mitten auf dem Korridor stattfinden.
Udolf folgte der Aufforderung benommen.
„Es tut mir sehr leid“, entschuldigte er sich linkisch. „Meine Frau fühlt sich nicht wohl. Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft …“
Sie streckte nicht die Hand aus, doch ihr Blick gab ihm zu verstehen, daß sie sich bei diesem Aufwand für unterbezahlt hielt. Er griff wieder in die Tasche und holte noch einige Geldstücke hervor. Auch sie verschwanden mit erstaunlicher Schnelligkeit.
Er trat ins Hinterzimmer und schlug sich fast den Kopf am niedrigen Türrahmen an.
„Denken Sie, Sie …“
„Ich werde nach dem Nachbarsjungen schicken. Sie haben einen Tilbury. Sie könnten Sie vielleicht nach Aussee …“
„Einen Tilbury? Sehr gut!“ Er wandte sich an Marie-Jeannette. „Hast du gehört, mein Liebling? Jetzt fahren wir heim!“
„In einem Tilbury!“
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