Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
mein Ehemann?“
Kein vernünftiges Wort schien sich in seinem Kopf formen zu wollen, und er fühlte Ärger in sich hochsteigen. Auch war er atemlos, was die Sache nicht besser machte.
„Wir sollten besser losgehen, n’est-ce pas ?” sagte sie mit einem so kessen Lächeln, daß er sie am liebsten gleich wieder geküßt hätte, und dann immer wieder. „Wenn du bitte so freundlich wärst, mein Gepäck zu nehmen, mon cher . Ich will mich hier nicht vor aller Welt danebenbenehmen. Der Priester würde uns schelten, und Frau Treynstern – stell dir nur vor, was sie sagen würde. Ich bin mir sicher, daß Liebkosungen solcher Art an öffentlichen Orten verboten sind, und, enfin , dies ist ein sehr öffentlicher Ort.“
Er suchte nach einer entsprechenden Antwort, doch ihm fiel nichts Brauchbares ein. Also nahm er das Reisegepäck und wies ihr den Weg zum Ufer.
Sie stolzierte hocherhobenen Hauptes mit der natürlichen Selbstsicherheit einer Schönheit, die sich ihres Ranges als Dame bewußt war. Eine Hausangestellte, ermahnte er sich. Ein Mädchen vom Personal. Unter normalen Umständen würde sie ihm die Stiefel putzen. Unter normalen Umständen würde er vorausschreiten, und sie käme mit dem Gepäck hinterdrein.
Sie wandte sich lächelnd um.
„Das ist das Wirtshaus, in dem wir übernachtet haben. Wir sollten es nicht nehmen. Vielleicht erkennen sie mich ja wieder.“
Er nickte und folgte ihr stumm, als sie zielsicher die Dorfstraße entlanglief. Für Stadtverhältnisse war es noch sehr früh, doch hier auf dem Land waren die Menschen bereits auf. Höchstwahrscheinlich war es keine so gute Idee gewesen, direkt am Steg anzulegen. Sie würden auffallen, und ihm fiel keine einzige Ausrede ein, warum sie schon so früh mit ihrem ganzen Gepäck den See überquert hatten. Auch war er sich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war, eine junge Frau dabei zu haben, die im wahrsten Sinne des Wortes unvergeßlich schön war. Das bedeutete, daß man sich an sie erinnern würde. Mit einem der hübschesten Mädchen der Welt zu reisen war eine Sache, von der man weit mehr hatte, wenn man sich nicht gerade auf gefährlicher Mission befand.
„Ich glaube, ich sollte besser meinen Schleier herunterziehen.“ Sie fummelte an ihrem Hut, und ein Hauch von Spitze schattierte ihr Gesicht. „ Hélas ! Jetzt kann mich niemand mehr erkennen.“
Sie schritt rasch den Weg am Fluß entlang. Nach einer Weile erreichten sie ein weiteres Gasthaus. Sie wartete, daß er sie einholte, setzte sich dann auf eine Holzbank, die unter einem schmalen Fenster stand, und strich ihre Röcke mit einer kleinen, behandschuhten Hand glatt.
„Du mußt zuerst reingehen, mon mari . Es gehört sich nicht für mich, ein solches Etablissement zu betreten, ehe du es für passend erklärt hast.“
Von all den Dingen, die ihm an seiner frisch erworbenen Gattin langsam den letzten Nerv raubten, war bei weitem das größte Ärgernis ihre Tendenz, ihn herumzukommandieren und ihm Benimmratschläge zu geben.
„Natürlich“, antwortete er bissig. „Ich weiß. Ich stamme nicht aus der Gosse.“
„Da bin ich aber froh“, sagte sie und schenkte ihm ein entzückendes Lächeln. Einen Moment lang hätte er sie wirklich gern übers Knie gelegt. „Ich wäre ungern mit jemandem verheiratet, der aus der Gosse stammt.“ Ein unschuldiger Augenaufschlag begleitete diese Aussage.
Von Görenczy knirschte mit den Zähnen. Dann zwang er sich, das nutzlose Geplänkel zu ignorieren, und klopfte. Als niemand kam, öffnete er die Tür und trat in den Korridor.
„Entschuldigung!“ rief er in den dunklen Gang. „Hallo? Entschuldigung. Wir suchen ein Zimmer …“
Er wollte gar kein Zimmer. Er wollte einen Wagen. Doch er konnte nicht gut auf der Straße stehen bleiben und warten, daß einer vorbeifuhr, der zufällig auf dem Weg nach Aussee war.
Eine Frau in Bauerntracht trat auf ihn zu. Wie die Ladner-Wirtin trug auch sie ein schwarzes Tuch um den Kopf. In der Hand hielt sie ein Geschirrtuch, das sie fahrig zerknautschte.
„Gnä’ Herr“, sagte sie. „Mein Mann ist nicht da.“
Von Görenczy verstand, was sie damit sagen wollte. Sie wollte nicht mit ihm sprechen. Doch das hatte sie nicht direkt gesagt, und so ignorierte er die verdeckte Abfuhr.
„Das macht nichts. Das macht gar nichts.“ Er nickte ihr zu und versuchte dabei, so wenig militärisch wie möglich zu wirken. Er war ein Mann von Welt, der mit seiner Gattin reiste. Sie würde erwarten, daß er
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