SAM
Ding in deinem Bauch muss operativ entfernt werden.“
„Nein, auf keinen Fall! Geh, und such irgendetwas mit dem du es greifen und herausziehen kannst. Eine Zange oder so. Bitte, Sam!“ Er lässt mich los. Wir sehen uns noch einmal an. Sein Blick ist flehend und doch habe ich auch das Gefühl, dass noch etwas anderes in seinen schwarzen, blutunterlaufenden Augen zu erkennen ist: Angst! Angst, dass ich ihn verlasse und nicht wiederkomme. Angst mich für immer zu verlieren. Ich löse mich von ihm und laufe hinunter. Ich renne den langen Flur entlang, mein hämmernder Herzschlag dröhnt in meinen Ohren. Ohne einen halbwegs vernünftigen Gedanken fassen zu können, stolpere ich die Treppe hinunter. Als erstes gehe ich in die Küche, wühle in den Schubläden, um irgendetwas zu finden, mit dem ich diesen Pflock greifen kann. Alles was ich finde, stellt sich als ungeeignet heraus. Ich renne in die Bibliothek und stolpere zu der Arbeitsleuchte. Das helle Licht blendet mich kurz. Ich suche nach einem Werkzeugkoffer und werde tatsächlich an der Fensterfront fündig. Mit zitternden Händen öffne ich den schweren Koffer und suche verzweifelt nach einem passenden Werkzeug. Endlich nach langem Suchen finde ich es. Ich renne mit der schweren Kneifzange bewaffnet zurück zu Alex. Erleichtert nimmt er wahr, dass ich zurück bin.
Er hat inzwischen alle Blutkonserven, die ich auf das Bett geworfen habe, geleert. Trotzdem hat sich sein Zustand nicht wesentlich gebessert. Ich gehe auf das Bett zu. Er hat die Augen geschlossen und sein Gesicht ist schweißnass. Ich klettere zu ihm auf das Bett und knie mich über seinen Bauch. Dann setze ich die Zange an. Wieder merke ich, wie mir schlecht wird. Ich rieche diesen metallischen Geruch des Blutes, das inzwischen überall verteilt ist. Alex scheint kurz vor der Bewusstlosigkeit zu stehen. Ich greife mit der Zange nach dem sichtbaren Ende des Holzstückes und versuche vorsichtig daran zu ziehen. Es bewegt sich nicht. Verdammt! Panik macht sich in mir breit. Tränen steigen mir in die Augen. Alex rührt sich nicht mehr.
„Alex, Alex, antworte mir!“, schreie ich ihn verzweifelt an. Wieder versuche ich, an dem Holzpflock zu ziehen, fasse am Griff der Zange fester zu. Nichts! Das einzige was passiert, ist, dass ich den oberen abgebrochenen Teil des Pflocks noch mehr zersplittert habe. Meine Hände zittern, Schluchzen schüttelt meinen Körper. Noch immer hebt und senkt sich seine Brust. Das Bett sieht aus wie ein Schlachtfeld überall Blut. Ich atme noch ein letztes Mal tief durch. Ich muss dieses verdammte Ding aus seinem Körper ziehen! Ich senke die Zange tiefer in die Wunde. In diesem Augenblick bin ich froh darüber, dass er bewusstlos ist und nicht miterlebt, was ich hier mache. Wieder muss ich bei dem Geruch des Blutes und dem schmatzenden Geräusch, das entsteht, als ich die Zange tiefer in sein Fleisch bohre, anfangen zu würgen. Ich kann diesen grässlichen Anblick nicht mehr ertragen und schließe die Augen. Ich versuche mich zu konzentrieren. Meine Finger legen sich erneut um den Griff, die Zange fasst das Holz. Diesmal bin ich bedacht, nicht zu fest zuzudrücken, damit ich nicht noch mehr von dem Holz abbreche. Als ich glaube einen guten Griff zu haben, versuche ich langsam und vorsichtig zu ziehen. Nichts geschieht. Ich lasse nicht los, versuche den Zug zu verstärken. Nichts. Es bleibt mir nichts anderes übrig. Tränen laufen mir über die Wangen, als ich mit hin und herdrehenden Bewegungen endlich merke, wie sich der Pflock langsam bewegt und sich mit ekelerregenden Geräuschen aus Alexanders Fleisch löst. Ich öffne die Augen und lasse die Zange mit dem Holzpflock scheppernd zu Boden fallen. Immer noch über Alexander kniend, fange ich hemmungslos an zu weinen. Regelrechte Krämpfe schütteln mich, bis ich mich nach einigen Minuten wieder so weit im Griff habe, um auf Alex hinabzusehen. Aus der Wunde, in der der Pflock steckte, fließt weiterhin Blut. Ich schaue auf Alex und sehe, wie er immer noch ein und aus atmet. Er lebt! Wir haben es geschafft! Wir haben es tatsächlich geschafft! Ich wische mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und klettere vom Bett.
Wie benommen gehe ich ins Bad. Als ich mir die immer noch zitternden Hände wasche, blicke ich für einen winzigen Augenblick in den Spiegel vor mir. Ich erkenne mich kaum wieder. Meine Haare hängen strähnig um mein vom Weinen verquollenes Gesicht. Tiefe Schatten liegen unter meinen Augen.
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