Samtheiß
dabei war. Ich dachte, das hätte etwas zu bedeuten. Während ich in den Blumenladen zockelte und von einem Kaktus gestochen wurde, hoffte ich sogar, daß du später anrufen würdest, um mir zu erklären, sie wäre nur eine Freundin oder eine Kusine oder deine Schwester. Ich hoffte, du würdest sagen, dein Rücken täte dir weh oder so was, damit ich mit meinem Mandelöl rüberkommen und ihn massieren könnte. Ihn bearbeiten, meine Fingerkuppen tief zwischen deine Schulterblätter und entlang deiner Wirbelsäule eingraben, bis du dich ergeben würdest. Oder daß du mir vielleicht erzählen würdest, deine Brille sei kaputt und du könntest nicht sehen. Ich würde herüberkommen und dir vorlesen: Comicstrips oder die Bibel.
Jetzt bin ich auf diesem Bürgersteig unterwegs mit einer Tasche voller schwarzer Blumenerde bei dieser Hitze und gehe an deinem Haus vorbei. Ich zwinge mich, nicht auf deine schmuddeligen weißen Rolläden zu starren; also drehe ich meinen Kopf in die andere Richtung und benehme mich lächerlich und total auffällig. Ich war mir so sicher, daß ich dein Ein-und-Alles werden würde, schließlich hatte ich mich wie eine Dame benommen und nicht wie eine läufige Hündin.
Ich hatte echt nicht vor, heute irgend etwas umzutopfen, und das nur so gesagt, weil es sich irgendwie sauber anhörte. Mir war viel wichtiger, ob dich dieses Mädchen letzte Nacht genauso berührt hatte wie ich. Wahrscheinlich nicht, denn nur ich kann dich auf diese Art berühren. Aber als du da so auf dem Bürgersteig standest, gingen mir Bilder von uns durch den Kopf: Wir liegen uns in den Armen und winden uns wie Würmer und Raupen; du küßt mich, als hätte man dich dafür während der letzten Jahre bezahlt und dies wäre dein letztes Gehalt; und ich verliere den Kopf an deinem Körper. Ich höre noch immer deine heiseren Schreie wie ein Echo in meinem Kopf. Ich sehe meine Zunge deine Brust lecken und deine Hände meinen Rücken streicheln, als wäre ich aus Seide. Ich war Seide und du wußtest es. Du hast so verdammt gut gerochen. Und als ich kopfüber aus dem Bett fiel, hast du mich nicht festgehalten, sondern kamst hinterher.
Du sagtest nichts, als ich schrie und deinen Namen rief, nahmst dir Zeit für mich und hieltest mich in deinen Armen fest, in der Geborgenheit deiner Brust, und wolltest mich nicht fortlassen. Und als ich aufwachte, warst du der Traum, den ich zu träumen glaubte.
Und trotzdem bist du dort auf dem Bürgersteig, in der Hitze, mit einem anderen Mädchen an deinen
Arm gekettet, an meinem Haus vorbeigegangen, als wäre es die selbstverständlichste Sache auf der Welt. Dieser Mist macht mich rasend vor Wut.
Ich meine, sieh mal. Du hättest mich ja nicht kitzeln und so zum Lachen bringen müssen, den Verband an meinem verletzten Daumen wechseln oder an meinem Haar riechen und sagen, es würde wie ein kühler Wald duften.
Du hättest ja nicht zu sagen brauchen, es sei unwichtig, daß mein Busen so klein ist, und ich war erleichtert, das zu hören, denn meine Mutter hat immer gesagt, ein Mann sollte sich mehr dafür interessieren, wie du sein Leben ausfüllst als deinen BH.
Ich meine, wer hat denn gesagt, daß du mir die Puppen zeigen sollst, die du nach James Brown und Diana Ross und den Jackson Five gemacht hast? Wer hat gesagt, du sollst Jasmin-Kerzen anzünden und mir zwölf alte Temptations-Alben Vorspielen, nachdem du erzählt hast, dein Lieblingsalbum wäre >Ain’t too proud to beg Du hättest nicht auf den Barhocker klettern, dein Fotoalbum hervorkramen und mir das Privileg gönnen müssen, vier Generationen deiner Familie zu bewundern. Dich als kleiner schokoladenbrauner Wuschelkopf. Wieso hast du gedacht, ich wollte dich als Kind angucken, wenn ich dich als Mann doch erst drei Wochen kenne? Aber nein, du hast, während du mit diesem kleinen Köter Gassi gingst, schon zwei Monate beobachtet, wie ich den Schlüssel zu meiner Haustür umdrehte, bevor du dir gestattet hast, mehr als nur »Hallo« und »Guten Morgen« zu sagen.
Ich konnte mich dir niemals richtig begreiflich machen, oder? Ich habe dir, glaube ich, erzählt, daß ich Sonderschullehrerin bin und daß ich ab und zu Gedichte schreibe. Sogar eines für dich, aber ich bin froh, daß ich es dir nicht gegeben habe. Du wärst vor Einbildung wahrscheinlich geplatzt.
Aber vielleicht hätte ich dir von den Nächten erzählen sollen, in denen mein Kopf so leer ist, und über meine Träume, einfach so geliebt zu werden. Wie ich einem Mann
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