Samtheiß
Nacht anrief, um Hallo zu sagen, aber du hast gesagt, ich soll rüberkommen und mit dir und deinem Hund spazieren gehen. Das klang ziemlich harmlos, aber bestimmt hast du die ganze Zeit gewußt, daß ich eigentlich herausfinden wollte, wie warm es unter deinem Hemd war, und hinter deinem Reißverschluß, und ob deine Hände so zärtlich und kräftig waren, wie sie aussahen.
Ich hatte eigentlich gehofft, wir könnten den Spaziergang ausfallen lassen, weil ich nur langsam auf dich sinken und in dein Inneres kriechen wollte. Geh doch ein anderes Mal mit dem Hund.
Aber du hättest meine Beweggründe vermutlich wenig damenhaft gefunden, also stürmte ich in meinem weißen Jogginganzug rüber zu deiner Bude und versuchte, so verführerisch wie möglich auszusehen, ohne allzu begierig zu wirken.
Ich tupfte mir sogar ein wenig Parfüm hinter die Ohren, unter jede Brust und auf meine Ellbogen, um dich zu verlocken, falls du dich nicht so recht entscheiden könntest. In Wahrheit war ich ziemlich nervös, weil ich wußte, daß wir heute nacht nicht bloß rumquatschen würden wie bisher. Ich brauchte nur knappe fünf Minuten, um meine Zähne zweimal zu putzen, die Lippen anzumalen, meine Achselhöhlen zu waschen, Ohren und Bauchnabel mit Q-Tips zu reinigen (ich konnte ja nicht wissen, wie weit du gehen wolltest) und meine intimsten Zonen zu waschen und auch dort ein wenig Jasminöl hinzutupfen.
Obgleich es fast 33 Grad heiß war, gingen wir fünfzehn Querstraßen weit, und der Hund ließ einfach gar nichts aus. Dir schien das nichts auszumachen, oder du hast es nicht gemerkt. Du gabst mir die Leine, und obwohl ich einen ausgewachsenen Mann mit so einem Schoßhündchen albern finde, war ich ihm gegenüber nicht feindselig, während ich es so hinter mir herzerrte und wir weiter durch die schwüle Nacht wanderten. Im allgemeinen mag ich Hunde.
Als wir vom Bordstein auf die Straße traten, machte ich einen Satz und schrie, weil ein Blatt aussah wie ‘ne tote Maus; ich ließ die Leine fallen und griff nach deiner Hand. Du hast sie sanft gedrückt, obwohl du mich hinter dir herziehen mußtest, um deinen Hund wieder einzufangen, der den Bürgersteig entlangflitzte, an den Bäumen hochsprang und japste. Als wir ihn endlich hatten, waren wie beide außer Atem. Ich ärgerte mich, weil mein Jogginganzug verschwitzt war.
»Du hast Angst vor einer kleinen Maus?« fragtest du.
»Ja, die machen mich ganz kribbelig. Mir dreht sich der Magen um, und ich würd’ auf Stühle oder sonstwohin klettern, um ihnen zu entkommen.«
Dann erzähltest du mir, wie du eine in der Küche erwischt hast, während du deine Ravioli direkt aus der Dose gefuttert hast, wie du sie mit einem Besenstiel verletzt hast und sie dann die Toilette runterspülen wolltest, aber es ging nicht. Ich prustete laut los, aber ich wollte dich auch zum Lachen bringen.
Also erzählte ich dir, wie ich einmal auf dem Weg in die Sauna war und die Haustür schon hinter mir zuziehen wollte, als ich zufällig eine riesige Kakerlake auf meinem Küchentisch herumspringen sah. Ich schlug mit der rechten Hand gerade so fest zu, daß ich sie lahmlegte (ich habe zwar Angst vor Mäusen, aber Kakerlaken hasse ich). Ich wollte sie nicht sofort töten, weil ich gerade $ 9.95 für einen Kakerlakenkiller ausgegeben hatte, den ich über die Zeitung bestellt hatte, und rauskriegen wollte, ob das Zeug tatsächlich wirkt. Also stäubte ich etwas von dem Zeug auf ihren Kopf, als sie gerade wieder zu zappeln anfing und in irgendeiner Spalte verschwinden wollte. Sie gab nicht auf, also tat ich immer mehr von dem Pulver auf ihre Fühler. Nach weiteren fünf Minuten ging sie mir echt auf die Nerven, weil ich immer noch im Mantel dort stand, mit der Sporttasche über der Schulter, und weil meine Küche offensichtlich nur für Zwerge und Kinder gebaut worden ist, fing ich langsam an, vor Wut zu kochen. Deswegen beschloß ich, sie auch ein bißchen unter Dampf zu setzen. Zuerst zündete ich mir eine Zigarette an und verbrannte dann mit dem gleichen Streichholz ihre Fühler, aber das blöde Ding wollte immer noch in eine Ecke des Tisches entwischen. Ich war total sauer, weil der Kakerlakenkiller offensichtlich nichts taugte, also machte ich weiter, verbrannte sie schnell und vollständig, weil sie nicht so starb, wie sie sterben sollte.
Du fandst das fürchterlich komisch und lachtest dich fast kaputt. Mir gefiel es, dich lachen zu hören, aber ich war unsicher, ob du aus der Story vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher