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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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harten Schmerz am Bein, bei dem er vage begriff, dass er getreten wurde. Ein Frau schrie ihn an: »Wie kommst du dazu, meinen Jungen im Arm zu halten, wenn sein Vater deinetwegen umgekommen ist?«
    Carver machte die Augen auf und sah Freddys Frau, die jetzt Witwe war. Er sah in ein Gesicht, das von Verzweiflung gezeichnet war, aber in den Augen brannte der Zorn, als sie sich bückte und ihn mit voller Wucht ohrfeigte. »Steh auf! Steh auf, du elender Waschlappen. Mein Mann ist tot. Deine Freundin wurde entführt. Steh auf und tu endlich was!«
    Carver wusste, was ein guter Rat war. Er sah zu Marianne hoch, unfähig, die richtigen Worte zu finden. Dann kam er auf die Beine, sah das Blut auf Mr Vandervarts glänzendem Anzug und dem großspurigen Designerhemd. »So kann ich nicht gehen, so voller Blut«, sagte er.
    Er lief durch den Raum und hob die Reisetasche auf, die er vor knapp fünfzehn Minuten hier zurückgelassen hatte, als Freddy scheinbar noch nichts hatte befürchten müssen und Jean-Louis seinen Papa noch für unsterblich gehalten hatte. »Kann ich mich irgendwo umziehen? Die Polizei wird gleich hier sein.«
    Marianne zog die Tür zur Treppe auf, ohne eine Spur Vergebung in der Miene, und sagte in barschem, unerbittlichem Ton: »Da rauf. Lass die dreckigen Sachen liegen. Ich schaffe sie weg.«
    Als Carver an ihr vorbei wollte, packte sie ihn am Arm. »Du willst, dass ich dir verzeihe? Dann finde die Leute, die das getan haben, und bring sie um. Alle!«
    Bis er sich das Blut abgewaschen und seine ursprünglichen Sachen angezogen hatte, war die Polizei eingetroffen und befragte Marianne und Jean-Louis. Carver wollte das Haus verlassen, brauchte aber eine Kopfbedeckung, um die Haare zu verstecken und das Gesicht zu beschatten. Er durchsuchte die Schubladen und Schränke in Freddys Schlafzimmer, bis er eine alte blaue Kappe mit dem dunkelroten Emblem des Genfer Fußballclubs gefunden hatte, die vergessen in einem Schrankfach lag. Mit einem Schlag gegen das Knie klopfte er den Staub heraus und zog sie auf. So konnte er gehen.
    Er kletterte aus einem Schlafzimmerfenster und am Abflussrohr in den Garten hinab. Jetzt kam es allein darauf an, sich freundlich und gelassen zu benehmen. Er betrat die vordere Straße. Da standen drei Polizeiautos und zwei Notarztwagen vor dem Haus. Ein Gerichtsmediziner machte Aufnahmen von den Leichen. Ein paar Schritte entfernt hatten zwei Männer eine kleine Auseinandersetzung. Sie redeten Französisch, aber als Carver an ihnen vorbeiging, hörte er bei einem einen deutlichen englischen Akzent.
    »Ich muss darauf bestehen, die Leichen zu untersuchen«, sagte der Mann. »Ich vertrete die Regierung Ihrer Majestät. Das waren meine Kollegen. Sie tragen womöglich Dokumente bei sich, die ich an mich nehmen muss.«
    Darauf könnte ich wetten , dachte Carver. Die einzigen Regierungsangestellten, die im Ausland Überwachungen durchführten, gehörten zum MI6. Sie waren schneller vorangekommen, als er gedacht hätte. Jetzt würde er noch schneller handeln müssen.
    Er ging bis ans Ende der Straße, wo sein Wagen stand: ein Audi RS6. Er wirkte wie ein ganz gewöhnliches Exemplar dieses soliden, äußerst zuverlässigen Mittelklassemodells, aber der Schein trog. Unter der stahlgrauen Karosserie verbarg sich ein V 8-Motor mit 4,2 Litern, der in vier Sekunden von 0 auf 100 kam. Er hatte einen Allradantrieb, der an der Straße klebte wie Eisenspäne an einem Magneten. In ganz Europa gab es kein Polizeifahrzeug, dessen Fahrer ihm einen zweiten Blick gönnen würde, der bei einer Verfolgungsjagd aber würde feststellen müssen, dass es nicht einmal für Blickweite reichte.
    Carver schob sich hinters Steuer und sah zu, dass er wegkam.

55
    Juri Sergejewitsch Schukowski entsprach nicht Carvers Vorstellung des stereotypen Russen, denn er sah nicht aus wie ein Verbrecher. Er war äußerlich nicht beeindruckend, nur mittelgroß und hatte ein schmales Gesicht, kurze angegraute Haare und eine beginnende Glatze. Sein dunkelgrauer Anzug, das weiße Hemd und die Krawatte ohne figürliches Muster kennzeichneten einen Mann, der nicht daran interessiert war, modisch auszusehen oder seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Man konnte ihn leicht für einen Intellektuellen halten, für einen Geistes-, vielleicht auch für einen Naturwissenschaftler. Sein Ton war ruhig und bescheiden; doch die stählerne Kälte seiner grauen Augen und die Direktheit des Blicks verrieten die Wahrheit über seine Skrupellosigkeit,

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