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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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musste oder sie würde sterben, aber sie brachte es nicht über sich.
    Er wusste das ebenfalls. Das war ihm anzusehen, an den Augen, an dem winzigen, schiefen Lächeln. Die ganze Begegnung dauerte eine Hand voll Augenblicke und schien sich doch über Stunden hinzuziehen, während das Lächeln immer breiter wurde, der Mann den Finger um den Abzug krümmte und das Mündungsfeuer aufblitzte. Dann fühlte sich Jennifer von einer Kraft emporgerissen, die stärker war als die Schwerkraft, und sie flog durch die Luft wie Tom. Und dann fühlte sie gar nichts mehr.

    Kursk wartete einen Moment, bis er sicher war, dass die Frau nicht mehr lebte, und ging weiter. Am Van angekommen, riss er die hinteren Türen auf, hob Aliks hoch, warf sie hinein und schloss ab.
    Als er nach vorne zur Fahrertür ging, fiel ihm eine Bewegung ins Auge. Er blickte schräg über die Straße und sah einen Mann aus dem Pub kommen. Es war Carver.
    Er entdeckte Kursk im selben Moment und fing an zu rennen, duckte sich hinter die parkenden Autos, als Kursk in seine Richtung feuerte.
    Der Russe ging kurz hinter der Wagentür in Deckung und wartete, ob seine Leute Carver aus der Kneipe folgten, aber von ihnen war keine Spur zu sehen. Carver musste sie ausgeschaltet haben. Also waren sie einer gegen einen, wie neulich in der Pariser Kanalisation. Kursk gefiel das nicht. Außerdem gab es noch eine andere Möglichkeit, den Engländer zu kriegen: mit der Frau im Laderaum des Vans. Kursk schoss noch zweimal in Carvers Richtung, nur damit der den Kopf unten behielt; dann sprang er auf den Fahrersitz, drehte den Zündschlüssel und trat das Gaspedal durch, sowie er die Kupplung kommen ließ.
    Carver rannte auf die Straße, stellte sich breitbeinig in Position und zielte mit ausgestreckten Armen. Kursk ignorierte die Schüsse, die die Windschutzscheibe zersplitterten und seitlich in die Karosserie einschlugen. Er raste auf Carver zu, um ihn zum Ausweichen zu zwingen, und streifte dabei eine Reihe parkender Autos. Der Van geriet wieder in die Straßenmitte, wo Kursk die Kontrolle über das Lenkrad zurückgewann. Er richtete sich im Sitz auf und fuhr davon.
    Carver würde ihn nicht mehr einholen können. Wenn er die Frau wiederhaben wollte, würde er darum bitten müssen.

54
    Als Carver den großen, bulligen Mann neben dem Swisscom-Van stehen sah, wusste er sofort, wer das war, und er begriff, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Er hätte Aliks auf keinen Fall allein lassen dürfen. Ihre Zuflucht hatte sich als Falle entpuppt.
    Jetzt konnte er nichts tun, um ihr zu helfen. Er wagte nicht, von hinten auf den Van zu schießen, als der davonraste. Die Kugeln würden Aliks zu leicht treffen. Er durfte nicht einmal auf die Reifen feuern. Sie war ohne Schutz. Bei der Geschwindigkeit, mit der der Russe jetzt fuhr, würde sie wie ein Flipperball über die Ladefläche rollen. Carver war der Letzte, dem man erklären musste, dass ein plötzliches Abbremsen für den Passagier tödlich sein konnte.
    Was war in dem Café passiert? Carver rannte den Bürgersteig hinunter und durch die Leute, die sich bereits auf der Straße einfanden. Ihr Entsetzen machte rasch der Neugier Platz, dem unausweichlichen Verlangen der Überlebenden, einen Blick auf die zu werfen, die gestorben waren. Die achtbaren Bürger, die Carver aus dem Weg stieß, machten ein Gesicht, als wären sie zu spät zur öffentlichen Hinrichtung gekommen und fühlten sich um den großen Moment betrogen.
    Ein Dutzend Schaulustige stand auf der Straße im Kreis um zwei Leichen, einen Mann und eine Frau. Carver erkannte das Paar aus dem blauen Vectra. Um Gottes willen, was war passiert?
    Dann hörte er ein einzelnes schrilles Wort aus einem Kindermund. »Papa!« Carver drängte sich ins Café und sah Jean-Louis neben seinem Vater knien. Sein Winnie-Puh-Schlafanzug war voller Blut. Der Junge schüttelte den reglosen Freddy und weinte: »Wach auf, Papa, wach auf!«
    Carver trat zu ihm, hob ihn auf und drückte ihn an seine Brust. Plötzlich war das alles zu viel. Er fühlte sich vom Tod eingekreist, von Trauer überwältigt. Er fühlte sich schuldig an der Zerstörung, die er wie eine ansteckende Krankheit um sich zu verbreiten schien. Seine Brust hob sich; sein Atem stockte, und er taumelte auf die Wand zu, lehnte sich dagegen und rutschte daran zu Boden, mit dem Jungen in den Armen.
    Er wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte. Er spürte nur irgendwann, wie ihm Jean-Louis abgenommen wurde, dann einen

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