Samuel Carver 01 - Target
Cherbourg auflesen und noch einmal neun Stunden zurücksegeln? Mann, Pablo, wenn du erst mal in Cherbourg bist, kannst du die Fähre nehmen wie jeder normale Mensch auch.«
»Nein, Bobby, das kann ich wirklich nicht. Und auf dem Rückweg segelst du nicht allein. Ich werde die Mannschaft sein.«
»Allmächtiger … Wann soll die Überfahrt denn stattfinden?«
»Heute Abend. Du müsstest bei Tag herüberkommen. Ich muss im Schutz der Dunkelheit segeln.«
Es entstand eine lange Pause. Carver hörte kochendes Wasser, das in eine Tasse gegossen wurde, einen rührenden Löffel, dann das Schlürfen eines Mannes, der seinen ersten Schluck vom heißen Morgenkaffee trank. Endlich kam die Antwort. »Na gut, Pablo. Was ist das für eine Geschichte? In welchen Schwierigkeiten steckst du?«
»Ich fürchte, das kann ich dir nicht sagen.«
»Nun, du wirst es müssen. Hör zu, ich bin ein verheirateter Mann. Ich muss an meine Familie denken. Ich kann nicht meinen Hals riskieren, nur weil du anrufst und mich um einen Gefallen bittest. Ich habe das Recht zu erfahren, worauf ich mich einlasse.«
»Ja, das stimmt«, räumte Carver ein, »aber es wäre wirklich besser, wenn du nicht Bescheid weißt. Wenn du mich rüberholst, sage ich Auf Wiedersehen, sobald ich den Fuß an Land setze, und melde mich erst wieder, wenn alles vorbei ist.«
»Wenn was vorbei ist?«
»Wenn ich ein kleines persönliches Problem gelöst habe.« Carver überlegte einen Moment und versuchte abzuschätzen, wie viel er sagen konnte. »Na gut, Bobby, ich habe eine Frau kennengelernt, die erste seit Kate, die mir etwas bedeutet. Es könnte wirklich ernst werden mit uns beiden.«
Faulkner lachte. »Und du musst ins Land kommen, ohne dass ihr Mann davon erfährt?«
»Schön wär’s. Nein, sie wurde entführt. Gestern Abend hat sie jemand mitgenommen, ein Russe. Aber ich weiß nicht, wohin er sie gebracht hat und für wen er arbeitet.«
»Wo wurde sie denn entführt?«
»In Genf.«
Der nächste Schluck Kaffee, dann: »Das verstehe ich nicht. Warum musst du unbedingt hierherkommen?«
»Weil die Leute, die diesem Kerl die Anweisungen erteilen oder wissen, wer es tut, in London sitzen. Die sollen aber nicht mitkriegen, dass ich zu ihnen unterwegs bin. Also keine Kreditkarten, keine Zoll- oder Passkontrolle.«
In der Leitung blieb es still. »He, bist du noch dran?«, fragte Carver.
»Hmmm … Ich glaube, bei mir ist eine Grippe im Anzug«, sagte Faulkner.
»Heißt das, du kannst mir nicht helfen, weil es dir nicht gut geht?«
»Nein, das heißt, ich werde mich bei der Arbeit krankmelden. Kannst du heute Abend um neun im Jachthafen von Cherbourg sein?«
»Ja.«
»Prima. Bis dann.«
»Danke, Bobby, ich schulde dir was.«
»Ja, allerdings.«
Bobby Faulkner machte es keinen Spaß, seiner Frau zu sagen, dass er für mindestens vierundzwanzig Stunden verschwinden und sie mit dem Kind allein lassen würde, weil er einem Mann, den sie beide seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatten, einen Gefallen tun wollte. Im Großen und Ganzen glaubten Ehefrauen nicht, dass die Loyalität ihrer Ehemänner zu einem Mann, mit dem sie gedient hatten, die Loyalität gegenüber Frau und Kindern übersteigen sollte. Bobby sah ein, dass Carrie im Grunde Recht hatte, sogar verdammt Recht, aber er wusste auch, dass gegen den Ehrenkodex von Regimentskameraden nicht verstoßen werden durfte.
Es war völlig offensichtlich, dass Pablo Jackson in ernsten, möglicherweise kriminellen Schwierigkeiten steckte, aber das änderte nichts daran. Faulkner hatte alte Kameraden gekannt, die auch schon im Gefängnis gelandet waren. Man tauchte bei Gericht auf, um sie moralisch zu unterstützen, hielt ein Auge auf ihre Familie, solange sie sitzen mussten, und schmiss eine Riesenparty, wenn sie entlassen wurden. Und das tat man, weil man wusste, dass sie im umgekehrten Fall genau das Gleiche tun würden.
Darum biss er die Zähne zusammen und ertrug Carries Ärger, ihre Tränen und das eisige Schweigen. Aber er versprach ihr zumindest, dass er nicht allein auf Pablos unüberlegten Plan eingehen würde. Darum tätigte auch er einen Anruf.
»Hallo, Quentin«, sagte er, als er durchgestellt wurde.
»Bobby, mein Lieber, was kann ich für Sie tun?«
»Ich hatte eben einen Anruf von Pablo Jackson. Hat er Sie neulich erreicht? Ich habe ihm Ihre Nummer gegeben.«
»Nein. Pamela sagte, dass er angerufen hat, aber ich habe nichts mehr von ihm gehört.«
»Ich glaube, er steckt ein bisschen in
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