Samuel Carver 01 - Target
beiden Männern eine Kugel in den Fußboden.
Der Alte stöhnte ein unverständliches Zeug, während Kursk den Lauf an Aliks’ Kopf drückte und ihr ins Ohr zischte:
»Du gehst mit mir, du verräterische Schlampe. Juri will dich lebend haben, aber wenn du irgendeinen Trick versuchst, jage ich dir eine Kugel durch den Kiefer und hau dein hübsches Gesicht zu Brei. Du bist dann noch am Leben, wirst dir aber wünschen, es wäre nicht so. Und jetzt beweg dich!«
Sie machten sich auf den Weg nach draußen, und das war der Moment, wo Tom Johnson auf die Tür zuging. Er stockte kurz, während er zu begreifen versuchte, was er sah: zwei Männer am Boden, der dritte mit einer Frau im Schwitzkasten, die er mit einer Pistole bedrohte. Ein Feigling hätte sich klug verhalten und wäre schleunigst abgehauen. Aber Johnson war kein Feigling. Er war ein ausgebildeter Agent. Er war außerdem ein unerschrockener Mann, der einem Schwerverbrecher gegenüberstand und die Entführung einer Frau mit ansah. Folglich griff er zur Waffe.
Kursk gab zwei Schüsse auf Johnsons Oberkörper ab, ehe der die Hand in der Jacke hatte. Die Geschossenergie schleuderte den Agenten rücklings auf die Straße. Der Russe drehte sich zu den beiden Männern im Caféraum um, die soeben Zeuge eines Mordes geworden waren, und schoss ihnen aus nächster Nähe in den Hinterkopf, dass die Kugeln das halbe Gesicht wegrissen.
Aliks drehte den Kopf und spie Kursk ins Gesicht. »Du Schwein. Das hättest du nicht zu tun brauchen«, krächzte sie und rang nach Luft. Kursk schlug sie mit der Pistole und zog die halb Bewusstlose aus dem Café. Er hätte das wirklich nicht zu tun brauchen, aber es gab ihm ein gutes Gefühl.
Während Jennifer Stock zusah, wie Johnson auf das Café zuging, dachte sie, auf welch seltsamen Wegen das Leben einen Mann und eine Frau zusammenbrachte. Als sie am Morgen aufgestanden war, hatte sie nicht damit gerechnet, den Tag in Autos eingepfercht bei einer Überwachung zu verbringen und schon gar nicht, dabei jemand Neues kennenzulernen. Aber so war der Tag verlaufen und so hatte sie diesen Mann gefunden.
Sie mochte ihn, so viel war sicher. Die Art, wie er lächelte, als er ihr die Wagentür öffnete, hatte ihr gefallen, wie die blonden Härchen auf den muskulösen Unterarmen in der Sonne leuchteten, wenn er das Lenkrad hielt, die aufgekrempelten Ärmel beim Fahren. Auch, wie er vergeblich versuchte, nicht auf ihre Brüste zu blicken, und dann seine schuljungenhafte Verlegenheit, wann immer sie ihn dabei ertappte. »Verzeihung«, hatte er nun schon mehrmals gesagt, sich dann aber aufgerichtet und hinzugefügt: »Aber Sie sehen so großartig aus, es wäre eine Grobheit, das nicht zu tun.« Sie hatte ihm böse sein wollen und stattdessen eine alberne Freude empfunden.
Jennifer seufzte, denn sie wusste schon, wohin das führen würde, und sie fragte sich, ob das Vergnügen die Komplikationen aufwiegen würde, die sich bei der Beziehung mit einem Kollegen unvermeidlich einstellten. Dann befahl sie sich, das schulmädchenhafte Benehmen zu lassen und ihre Arbeit zu tun. Und das war der Moment, wo sie Toms überraschtes Gesicht sah und er zwei taumelnde Schritte rückwärts machte, als wäre er geschlagen worden. Dann brach er mitten auf der Straße zusammen und blieb reglos liegen.
Was sie soeben gesehen hatte, war so weit von ihrer Träumerei entfernt, dass sie ein paar Sekunden brauchte, um das alles zu begreifen. Dann war die entsetzliche Erkenntnis da. Sie stieß die Wagentür auf, zog die Waffe und rannte die Straße entlang, während sie den Namen des Geliebten schrie, der er nicht mehr werden würde, und mit den Gedanken so ausschließlich bei dem Toten war, dass sie den anderen Mann, der die Frau in seiner Gewalt hatte, zuerst gar nicht wahrnahm.
Sie standen einander gegenüber, Jennifer Stock und der Killer. Sie waren beide bewaffnet, aber ihr war schlagartig klar, dass das ganz gleichgültig war. Während der Ausbildung hatte sie gelernt, dass fünfundachtzig Prozent der Soldaten im Zweiten Weltkrieg nicht im Zorn feuerten, nicht einmal, wenn ihr Leben bedroht war. Psychisch normale Menschen empfinden eine schwer überwindbare Abneigung, einen anderen zu töten. Daher ist das wichtigste psychologische Element der militärischen Ausbildung darauf gerichtet, diese Abneigung auszuschalten und anständige Leute in Killer zu verwandeln. Im Falle Jennifer Stocks hatte das nicht funktioniert. Sie wusste, dass sie den Mann erschießen
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