Samuel Carver 04 - Collateral
hergeben. Er befiehlt diesen Leuten zu verhandeln, den Preis zu drücken. Er droht, sich abzuwenden und dich deinem Schicksal zu überlassen. Es tut mir leid, Zalika, aber er hält dich nicht für wert, gerettet zu werden.«
Moses Mabeki blickte den Unterhaltungen mit Zalika Stratten mit eifriger Erwartung entgegen. Er zog großes Vergnügen daraus, sie gedemütigt, allen Komforts beraubt, mit ihrem eigenen Gestank eingesperrt zu sehen. Er genoss diesen täglichen Beweis seiner neuen Macht fast so sehr wie den Moment, wo er die Erschießung ihres Bruders befahl; oder wo er ihrem Vater den Diesel einflößte, bis er daran erstickte; oder wo er ihre Mutter seinen Kampfgenossen überließ; und fast so sehr wie den triumphalen Augenblick, wo er vor seinen kraftlosen, kriecherischen Vater trat und ihm das Buschmesser in den verräterischen Leib stieß, mit dem er den Strattens so willig gedient hatte. Zalikas Schmerz und Verblüffung zu sehen, als er ihr die Lügen über seinen Vater erzählte – auch das war ihm ein Genuss gewesen. Doch was er sich für heute Nacht vorgenommen hatte, würde er vielleicht sogar noch mehr genießen.
13
Zalika Stratten wurde im oberen Stockwerk des zweigeschossigen Hauses festgehalten, das an der Nordostecke einer ungepflasterten Kreuzung stand. Nach klassischer Bauweise eines Kolonialhauses hatte es an den beiden Straßenseiten eine Kolonnade, die den Passanten Schatten bot. Darüber verlief für die Bewohner des Hauses ein überdachter Gang mit einer hüfthohen Balustrade. In der einen Hälfte des Erdgeschosses befand sich eine Shebeen – eine illegale Bar, wo die Frage, was für Geschäfte man betreibe, unter den Gästen weder gestellt noch beantwortet wurde – und in der anderen Hälfte ein halb leerer Gemischtwarenladen, der die Bezeichnung kaum verdiente. Im Obergeschoss gab es drei sehr einfache Wohnungen, die jetzt alle von Mabeki und seinen Männern besetzt waren. Eine Treppe teilte die Front des Hauses und verband die beiden Laufgänge miteinander.
Justus hatte sich in einem unbewohnten Haus direkt gegenüber an der Straße eingerichtet, nachdem er der Familie, der es gehörte, zehn US-Dollar gegeben hatte – sicherlich mehr, als sie in einem Monat verdienen konnten. Dort war sein Beobachtungsposten.
Kurz nach Mitternacht, drei Stunden vor der Operation, beobachtete Justus das Zielgebäude durch ein Wärmebildfernglas aus Armeebeständen. Es reagierte auf Temperatur statt auf Licht, sodass Wärmequellen in den Farben Rot, Orange, Gelb und Weiß dargestellt wurden. In einer kalten Nacht und aus kurzer Entfernung gesehen leuchtete ein menschlicher Körper weiß. Bei klarer Sicht waren Personen gut anderthalb Kilometer weit zu erkennen. Durch die Wände des Zimmers, in dem Zalika gefangen gehalten wurde, sah Justus die Leute als orangene Flecke. Das genügte jedoch, um Zalika auszumachen, die auf ihrer Matratze lag, desgleichen den Mann, der ihr das Abendessen gebracht hatte. Als sie kurz danach aufgestanden war, um den Eimer zu benutzen, war Justus mit dem Bildgeber zu den anderen Wohnungen geschwenkt.
Jetzt blickte er damit zu Carver hinüber, der flach auf dem Garagendach hinter dem Zielgebäude lag. Er war schwarz gekleidet, hatte eine schwarze Balaklava über den Kopf gezogen, die sein Gesicht verbarg, und war unterhalb des Obergeschosses mit der Dunkelheit verschmolzen. Es ragte drei Meter fensterlos über ihm auf, an der Fassade das verblasste, abblätternde Bild einer großen Coca-Cola-Flasche.
Die Nachtluft war erfüllt von Musik, den rauen Stimmen betrunkener Männer und dem Gekreische und Gelächter der arbeitenden Mädchen in der Shebeen. Carver musste den Finger an den Ohrhörer legen, als Justus redete, um ihn deutlich zu verstehen.
»Mabeki hat fünf Leute mitgebracht«, sagte Justus. »Drei sind unten in der Shebeen. Einer steht im Flur der Wohnung vor Miss Strattens Zimmer, und einer steht Wache auf dem Laufgang draußen. In der angrenzenden Wohnung hält sich jemand auf. Wahrscheinlich Mabeki. Er ... Moment, er bewegt sich. Er verlässt die Wohnung, und ich glaube, er geht zu dem Zimmer von Miss Stratten. Ja, er geht hinein. Jetzt geht er zum Bett. Miss Stratten muss aufgewacht sein, sie setzt sich auf. Mabeki tut etwas an ihren Füßen. Oh, verstehe, er löst ihre Fesseln. Vielleicht will er sie verlegen.«
Carver auf dem Garagendach spannte sich an. Sein sorgfältig abgestimmter Plan lief Gefahr, bedeutungslos zu werden. Aber daran war er gewöhnt. Er
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