Samuel Carver 05 - Collapse
könnten recht haben. Er hatte vor, mit Karakul Sholak zu frühstücken, dem Kasachen, der –«
»Der selbst Terrorist ist.«
»Ja, aber ein reicher, und mehr interessiert mich nicht. Ach, was soll’s, sein Geld ist im Sack. Ich werde ihm sagen, Orwell sei zu einer streng geheimen Regierungsangelegenheit gerufen worden, und verspreche ihm, dass er alles darüber erfährt, wenn er zur Eröffnungsparty kommt. Das sollte ihn bei Laune halten, hm?«
»Absolut … Umso länger kann er bei seinen Huren im Bett bleiben.«
Zorn zuckte gleichgültig die Achseln. »Auch das interessiert mich nicht. Also gut, ich werde Orwell anrufen und ihm sagen, er soll die Einladung annehmen. Bei den vielen Fernsehkameras, die in seine Richtung schwenken werden, wird er nicht nein sagen.«
Razzaq zog die Stirn kraus. »Ich kann das nicht verstehen. Orwell war ein Labour-Abgeordneter. Der Premierminister ist ein Konservativer. Warum seinem politischen Gegner Publicity verschaffen?«
»Weil er der Welt zeigen will, dass das kein parteipolitisches Problem ist. Darum lädt er einen Opponenten ein. Aber er nimmt Orwell, weil der ihm nicht mehr schaden kann. Außerdem, je mehr Orwell den weltpolitischen Staatsmann gibt, desto kleiner erscheint der derzeitige Labour-Führer. Doch, doch, das ist ein geschickter Schachzug.«
»Und während sie ihre Konferenz abhalten, zeigen wir der Welt, was Umweltterrorismus wirklich heißt.«
Zorn stand auf und ging ans Fenster. »Ist alles vorbereitet?«
»Ja … Aber noch ist Zeit, das Ganze abzublasen. Es werden viele Menschen sterben. Sind Sie sicher, dass Sie weitermachen wollen?«
Die zwei Männer standen nebeneinander und schauten auf den knackig grünen Rasen, über den der Schatten einer alten Libanonzeder kroch.
»Was denn, Sie glauben, ich habe nicht den Mumm dazu?«, fragte Zorn ehrlich überrascht.
»Es ist nicht leicht, so viele Tote auf dem Gewissen zu haben«, antwortete Razzaq.
Auf Zorns Gesicht breitete sich ein gelassenes Lächeln aus. »Wie kommen Sie darauf, dass ich ein Gewissen habe?«
26
Carver blickte auf das Telefon in seiner Hand und überlegte, was er sagen sollte. Es war ein paar Jahre her, seit er zuletzt mit Alix gesprochen hatte, und das waren nur ein paar Worte auf der Beerdigung eines Freundes gewesen. Zu einem ernstzunehmenden Gespräch hatte sich keine Gelegenheit ergeben – er war mit einer anderen Frau dort gewesen.
Er wusste nicht einmal, ob die Nummer noch aktuell war. Carver wählte. Zumindest schien der Anschluss noch zu existieren, da ein Rufton zu vernehmen war, aber es hob niemand ab. Er ließ es drei-, vier-, fünfmal klingeln und formulierte gerade eine Nachricht für den Anrufbeantworter, als sie sich meldete. Sie klang munter und ein wenig gehetzt. »Hallo, Alexandra Vermulen.«
Ihre Stimme war noch immer erregend für ihn. Sie waren seit über zehn Jahren nicht mehr zusammen, und trotzdem gab es keine Frau auf der Welt, die ihm so unter die Haut ging wie sie. Und es versetzte ihm einen Stich, dass sie sich mit dem Namen eines anderen Mannes meldete. Auch so etwas, an das er sich nie gewöhnen würde. »Ich bin’s«, sagte er.
Mehr war nicht nötig. Er wusste, dass sie seine Stimme sofort erkannte. Jetzt wartete er auf die Reaktion. Er hörte sie zögern und eine gewisse Sprödigkeit, als sie sagte: »Hallo …«
»Tut mir leid, dass ich so aus heiterem Himmel anrufe. Aber du könntest mir vielleicht helfen.«
Bildete er sich das ein, oder seufzte sie, bevor sie fragte: »Rufst du geschäftlich an?«
»Ja.«
»Dann war es wohl vermessen zu hoffen, du könntest einfach nur mit mir reden wollen.«
Carver verdrehte die Augen und holte tief Luft. Schlechter Start. Neuer Versuch.
»Komm, Alix, du weißt, dass es nicht so ist.«
»Wie ist es denn?«
Darauf herrschte Schweigen, weil beide nicht wussten, was sie als Nächstes sagen sollten, aber auch nicht auflegen wollten. Carver war am Zug, und er nutzte ihn.
»Können wir noch mal von vorn anfangen? Ich möchte dich wirklich gern sehen. Punkt. Aber du könntest mir vielleicht auch bei etwas Wichtigem helfen. Ist es irgendwie möglich, dass wir uns heute Abend treffen? Es muss nicht sehr lange sein, wenn du beschäftigt bist. Wir könnten ein Glas miteinander trinken.«
Wieder entstand eine Pause. Carver konnte spüren, wie sie Pro und Kontra abwog. Schließlich sagte sie: »Also gut, Sam, wir können uns treffen. Heute Abend findet in der Muscovy Gallery in der Cork Street eine Party
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