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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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Schmerzen, die mir das Gehirn wegzusprengen schienen. Bohrer- und Schraubgeräusche in mir. Ich wollte schreien. Aber ich konnte nicht. Ich spüre, ich werde irgendwo festgeschraubt. Am Boden einzementiert. Ich kann mich nicht bewegen! Vor Schmerzen und Erschöpfung verlor ich mal wieder das Bewusstsein.
Die Lähmung steigt auf
    Als sich meine Lage am Montag zuspitzte, drängte ein Anästhesist: „Bevor wir Samuel am Ende noch notoperieren müssen, lasst uns vorsorglich einen Luftröhrenschnitt machen.“ Das hatte einen guten Grund: Bei einer so großen Operation muss der Patient intubiert und beatmet werden. Bei der ersten OP war das durch eine Beatmungsmaske umgangen worden. Und zum Intubieren muss man den Hals überstrecken – keine gute Idee bei jemandem, der ein gebrochenes Genick hat. Der Anästhesist setzte sich durch. Zum Glück, denn ich hätte die wenig später erfolgte Not-OP sonst vermutlich nicht überlebt. So aber wurde als Vorsichtsmaßnahme ein Luftröhrenschnitt gelegt, dessen Narbe noch heute unten an meinem Hals zu sehen ist.
    Wie ich ihn erhielt, habe ich noch teilweise in Erinnerung. Glaube ich zumindest. Immer wieder verband mein Gehirn das, was ich träumte, mit dem tatsächlichen Erleben. So mischt sich in meinem Unterbewusstsein auch der Luftröhrenschnitt mit Eindrücken einer Personalweihnachtsfeier an der Universitätsklinik in Düsseldorf, an der ich vielleicht zum Eingriff hin vorbeigeschoben wurde. In meinem Albtraum fügte mir eine attraktive HNO-Ärztin mit einem Kugelschreiber schreckliche Schmerzen zu. Das kam mir sehr real vor, ich weiß aber bis heute nicht, was da überhaupt passiert ist.
    Man muss sich die Situation folgendermaßen vorstellen: Ich lag auf dem Rücken, mein Kopf fest fixiert. Ich konnte nicht husten. Ich konnte mich nicht bewegen. Und dann dieses Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, die Angst zu ersticken. Panikattacken. Und ich konnte mich nur mit den Augen äußern.
    Ich konnte nicht mehr richtig einatmen, nicht mehr ausatmen. Ständig spürte ich die Panik weitersteigen: Jetzt ersticke ich gleich! Ich rief tonlos: „Hilfe! Ist denn keiner da? Kann mir keiner helfen? Ich kriege keine Luft mehr! Ich ersticke!“ Ein Albtraum, aber real.
    So grausam die Prozedur für mich war: Sie rettete mir wohl das Leben. Als klar war, dass ich tatsächlich notoperiert und damit künstlich beatmet werden musste, war der Kanal für die Beatmung schon gelegt. Ohne ihn hätte ich wohl nicht überlebt.
    Mein Zustand spitzte sich 40 Stunden nach dem Unfall weiter zu. Die Einblutungen nach der Blutverdünnung drückten immer mehr auf mein Rückenmark. Die Lähmung stieg hoch. Erst wurden die Beine taub. Dann konnte ich meine Arme nicht mehr spüren und bewegen. Als Nächstes drohte die Atmung zu versagen.
    Am Montagabend klingelte bei meinem Vater das Telefon: „Der Zustand von Samuel hat sich verschlechtert. Wir müssen jetzt notoperieren. Wir haben keine andere Chance!“
    â€žDas war der schlimmste Tag“, erinnert sich mein Vater, „der schlimmste überhaupt. Marion, die Kinder, die Freunde und ich, wir alle saßen zusammen auf dem Hotelbett, als der Chefarzt anrief und sagte, sie würden dich jetzt operieren!“
    Meine Eltern spürten mehr, als dass sie wussten: Bei dieser Operation ging es um Leben und Tod. „Wir haben alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich begriffen, was da alles mit Samuel geschah“, sagt mein Vater. „Wir waren über seine Verletzungen informiert worden, ja. Aber was sie alles für ihn und seine Gesundheit bedeuteten, das blieb für uns an diesem Montag noch wie in einem Nebel verborgen. Auch was die Operation genau bedeutete, wie groß die Risiken waren und was sie Samuel bringen würde, war uns unklar. Wir konnten alle nur vertrauen.“
    Doch das war nicht einfach. „An diesem Abend war für uns erst mal das Ende dessen erreicht, was wir verkraften konnten, und wir brachen zusammen. Im Hotel heulten wir die Kissen voll und wurden dann irgendwann vom Schlaf übermannt.“
    Dann kam der Dienstag früh nach der Operation: „Wir sind gleich zu Samuel auf die Intensivstation“, erzählt mein Vater. „Er war sehr abgeschirmt. Wegen des Medienandrangs wurde die Station zum Hochsicherheitstrakt. Ein Pfleger guckte durch die Tür und sagte, er dürfe nichts sagen.

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