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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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Höhle. Jetzt war klar, ich musste ganz schnell ins Krankenhaus. Der Befund: Jochbein- und mediale Orbitafraktur. Das heißt, die Verbindungswand zwischen Nasenhöhle und Augenhöhle war gebrochen.
    Zwei Wochen musste ich damals in der Klinik bleiben, zehn Wochen hatte ich Nies- und Schnäuzverbot, über ein Vierteljahr hätte ich nicht zum Training gedurft.
    Ich habe solche Erfahrungen unter dem Motto eingeordnet: „Man erntet, was man sät!“ Meine Eltern haben nie die dämliche Erziehungsphilosophie vertreten, uns ängstlich zu ermahnen: „Fall nicht!“ Im Gegenteil – sie haben uns immer lieber ermutigt als gebremst und zugelassen, dass wir aus den Konsequenzen unseres Tuns lernten. Manche Erfahrung muss man eben selbst machen, und ich war meist überraschend glimpflich davongekommen.
    Dieses Mal war es etwas anderes. Dieses Mal war es ernst. Sehr ernst. Für mich ging es nach dem Unfall um Leben und Tod.
    â€žDas Sicherheitspersonal fuhr unsere Familie in die Klinik“, erinnert sich Papa. „,Er lebt!‘ “, sagten die Ärzte uns dort. Darüber waren wir froh. Samuels Schauspielkollegen und Freunde, die wegen der Wette angereist waren, trafen auch ein. Schließlich durften wir zu ihm. Er war wach. ,Es tut mir so leid, Papa‘, sagte Samuel, und: ,Du bist der beste Papa der Welt.‘ Diese Szene hat mich bis ins Mark getroffen, ich werde sie nie vergessen.“
    Ich weiß noch, wie ich hektisch durch Krankenhausflure geschoben wurde. Wie in schlechten Filmen , dachte ich. Ich sah die Lichter an der Decke über mir vorbeisausen. Mein Papa lief neben mir her, hatte seine Hand auf mir.
    Was war geschehen? Ach du Schreck, Papa, das war nicht deine Schuld! , dachte ich. In diesem Moment habe ich fast bereut, dass ich ihn überhaupt gebeten hatte, bei der Wette mitzumachen. Ich wollte jetzt, hier, sofort klarstellen, dass ihn keine Schuld trifft, dass alles zwischen uns in Ordnung ist. So gut es in dieser Situation ging, umarmten wir uns heulend und hofften, dass alles irgendwie gutgehen würde.
    â€žWir waren in diesem Augenblick unsicher, wie bedrohlich Samuels Zustand wirklich war“, sagt mein Vater. „Einerseits war er ansprechbar und konnte sich sogar bewegen, andererseits offenbarten die Untersuchungen, wie schwer seine Wirbelsäule verletzt war.“
    In einer ersten Operation wurde der gebrochene siebte Halswirbel mit den anliegenden Bandscheiben entfernt und durch einen Titankäfig ersetzt, der am sechsten Hals- und ersten Brustwirbel befestigt wurde.
    Zu diesem Zeitpunkt konnte wohl niemand absehen, wie sich diese Verletzung auf mein ganzes Leben auswirken würde. Meine Mutter als gelernte Krankenschwester hatte Fachwissen und Erfahrung genug, um sich heftig vor dem zu fürchten, was mir drohte – doch sie wollte nicht noch mehr Unsicherheit verbreiten und hielt lieber still. So schwankten meine Eltern zwischen Hoffnung und Angst.
    In den ersten 40 Stunden hatte ich noch Gefühl in meinem Körper. Ich konnte meine Arme und Beine bewegen, die Hände benutzen. Bis zum Montag besaß ich weitgehend noch Kontrolle über meinen Körper.
    Der Arztbericht beschreibt mich beim Aufnahmestatus im Schockraum der Klinik als „wach, ansprechbar ... Hirnnervenstatus ohne pathologischen Befund, jedoch mit leichten Lähmungserscheinungen der Beine. Am linken Arm zeigt sich eine Faustschlussschwäche“. Der Bericht bescheinigt mir zudem ein „sensibles Defizit“ sowie „stärksten Nackenschmerz“.
    Kein Wunder: Der erste und der letzte Wirbel der Halswirbelsäule waren unter der Wucht des Aufpralls geborsten; ein Splitter aus dem 7. Halswirbel hatte die Halsschlagader aufgeschlitzt. Das gerinnende Blut löste Thrombosen aus, in deren Folge ich zwei kleine Gehirnschläge erlitt.
Eine fatale Ereigniskette
    Um weitere Schlaganfälle zu verhindern, beschloss man, mein Blut zu verdünnen. Ein gerinnungshemmendes Präparat wurde mir verabreicht. Das verdünnte Blut sickerte in die zerstörten Wirbelkanäle ein und drückte das Rückenmark immer stärker zusammen. Die Einblutung begann buchstäblich, meinen Lebensnerv abzuschnüren.
    Am Montag stieg die Lähmung meinen Körper hoch. Mittags hatte ich das Gefühl, zu ersticken; die Einblutung drohte das Atemzentrum lahmzulegen. Am Abend schließlich fiel dann die Entscheidung zur Operation: Sie sollte den

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