Samuel Koch - Zwei Leben
wie Erfahrungen meiner Eltern aus den ersten Tagen in der Klinik in Düsseldorf zeigten.
Aus Sicherheitsgründen zog ich also für einige Tage wieder auf die Intensivstation. Die Dame wurde aber nie in Nottwil gesichtet.
Das Mitgefühl der Kinder
Wenn mein Zustand es zulieÃ, habe ich mich mit der Hilfe meiner Eltern und Geschwister bei Leuten gemeldet, die mir geschrieben hatten. Einige habe ich persönlich angerufen.
Besonders haben mich die Zuschriften von Schulklassen berührt, von denen manche Kinder den Unfall vor dem Fernsehschirm live miterlebt hatten. Ich bin heute noch traurig darüber, dass ich so viele Kinder mit meinem Unfall erschreckt habe! Denn meine Wette sollte doch alles andere sein als ein Schocker für die groÃen und die kleinen Zuschauer! Nein, wir wollten Spaà bieten, natürlich auch ein bisschen Nervenkitzel, eben gute Unterhaltung für die Zuschauer.
Was mich dann wieder beruhigt hat, war, dass viele dieser Kinder in ihren Klassen mit ihren Lehrern und Klassenkameraden über das reden konnten, was sie da am Samstagabend zuvor im Fernsehen gesehen hatten.
Ein paar Beispiele für liebevolle Reaktionen: Da gab es eine Grundschulklasse, die für mich ein ganzes tolles Buch gestaltet hat; eine andere Klasse drehte ein Video, in dem die Kinder ein Lied für mich sangen. Eine weitere Schulklasse aus Mitteldeutschland bat mich um einen Rückruf. Und als ich eines Morgens zur verabredeten Zeit dort anrief, stimmte auf ein Zeichen der Lehrerin die Klasse einige Lieder an. Ein Mini-Konzert live für mich!
Ich habe mich bei den Kindern bedankt und versprochen: âIch komme mal vorbei und übernehme eine Biologie-Stunde. Dann erkläre ich euch ein bisschen, was eine Querschnittlähmung ist!â
Besonders ans Herz gewachsen ist mir eine Meldung, die mich von einem Leidensgenossen erreichte, einem Jungen, der ebenfalls in einer Rehabilitationsklinik lag. Clemens aus Thüringen, 12 Jahre alt, hatte den klassischen Querschnitt-Unfall: Kopfsprung in zu flaches Wasser. Dabei hatte er sich den zweiten und dritten Halswirbel gebrochen und damit eine ähnliche Lähmungshöhe wie ich. Mithilfe seiner Betreuer hatte er mir einen anrührenden Brief geschrieben, in dem er mir erzählte, wie er mit seinen Einschränkungen umgeht, und mir Mut machte, dass ich es auch schaffen könnte.
Clemens ist für mich ein Vorbild. Unsere Gespräche über unser gemeinsames Schicksal haben uns verbunden. Noch heute freuen Clemens und ich uns über jeden Kontakt. Wer ein Vorbild für Mut und Stärke sucht, sollte sich den kleinen Clemens aus Thüringen anschauen! Von ihm lerne ich in jedem Gespräch etwas.
Unerwartete Hilfe
Für die erste Zeit konnten meine Eltern die Ãbungswohnung in der Klinik nutzen. Doch was dann? Hotels sind für einen längeren Aufenthalt praktisch unbezahlbar. Da erreichten uns über die Klinik mehrere E-Mails mit Wohnungsangeboten, doch diese hatten teilweise sehr hohe Mieten oder waren zu weit weg. Eine Maisonettewohnung in Oberkirch, einem Nachbarort von Nottwil, klang gut, und wir riefen spontan an. Wir kannten die Leute nicht, aber sie hatten von meinem Schicksal gehört und wussten, dass ich in der Klinik lag. Sie schrieben, sie hätten in der Nähe eine Wohnung, die sie im Moment nicht brauchten, da sie für ein paar Monate auf Weltreise gehen würden. Ob sie meinen Eltern vielleicht ihre Wohnung anbieten könnten?
Meine Eltern waren sehr gerührt von so viel GroÃherzigkeit. Sie besuchten die Familie und besprachen das Angebot, und letztlich konnten sie die Wohnung wirklich nutzen. Zu meinem Abschied aus der Klinik lud uns diese Familie dann alle zusammen noch einmal zum Essen ein â eine herzliche Freundschaft war zwischen uns allen entstanden.
Ãbrigens: âDie erste Nachricht, die ich nach Samuels Unfall auf meinem Mobiltelefon fand, war eine SMS von einem Kundenâ, erzählt mein Vater. â Hoffe sehr, es ist nichts Schlimmes! Viel Glück!, stand darin. Und danach rissen die Mitteilungen nicht mehr ab. Nur ab und zu konnte ich mal draufschauen. Viele erkundigten sich, boten Hilfe an: ,Egal was!â Ich hatte nicht realisiert, dass natürlich alle da drauÃen den Unfall miterlebt hatten. Wir hatten ja sogar extra noch E-Mails geschrieben und auf Samuels Wette aufmerksam gemacht. Doch nun wussten wir selbst kaum, was los war.â
Das Verrückteste
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