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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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habe ich viel rumgeblödelt. So hat mir mein Bruder aus zwei Metern Entfernung Gummibärchen in den Mund geschmissen – natürlich erst, nachdem Thomas Gottschalk das Ganze mit dem Satz: „Topp, die Wette gilt!“ anmoderiert hatte. Er erzählte uns Familiengeschichten von seinen Kindern, sehr lustige, traurige und ermutigende. Wir hatten es sehr nett miteinander.
    Thomas ist ein Entertainer. Aber neben dieser professionellen Rolle ist er auch ein nachdenklicher Mensch mit Tiefgang, wie ich in diesen Gesprächen merkte. „Samuels Schicksal geht mir sehr nahe“, sagte Thomas Gottschalk später zu einem Reporter. „Ich glaube, das wäre etwas anderes bei einer Außenwette gewesen, wenn man nur den Krankenwagen mit dem Blaulicht gesehen hätte und weg!“
    Michelle Hunziker kam ein halbes Jahr nach dem Unfall zu mir in die Reha-Klinik in der Schweiz. In Jeans und Pulli, mit Pferdeschwanz und Flipflops saß sie neben mir. Sie fragte mich, wie es mir ging, wie die Behandlung ablief, welche Fortschritte ich machte. Und wie sie mich unterstützen könnte.
    Sie berichtete mir von ihrer Familie und von ihrem Leben in Italien. Was ich nicht gewusst hatte: Michelle hatte in ihrer Kindheit viel Zeit im Krankenhaus verbracht, weil sie zum Beispiel zwei Rippen zu viel hatte. Noch heute hat sie Narben von mehreren OPs. Sie erzählte mir von ihrer Tochter, die gerade in der Pubertät ist, von ihren Freuden, von ihren Sorgen – auch sie ist mir bei diesem Treffen nähergerückt. Und noch um einiges sympathischer und angenehmer in Erinnerung geblieben als damals im Rahmen von „Wetten, dass..?“
Auch mal neun gerade sein lassen
    Der Besuch von neun Schauspielkollegen aus Hannover sprengte die üblichen Besuchserfahrungen.
    â€žDas war eine spannende Sache“, erinnert sich mein Vater. „Die Station ist normalerweise nur zwischen elf und zwanzig Uhr zugänglich – und zwar nur für enge Angehörige.“ Nun stand meine gesamte Schauspielklasse plötzlich vor der Tür. Sie waren alle Mann (und Frau) 800 Kilometer weit aus Hannover angereist. „Wir haben die neun Leute einfach reingeschleust, obwohl das natürlich nicht gern gesehen war“, erzählt mein Vater. Ein Schmunzeln kann er sich dabei nicht verkneifen „Was sollten wir denn auch sonst tun? Die jungen Leute draußen auf dem Flur stehen lassen? Das wollten wir nicht. Marion und ich haben uns gesagt: ,Das tut Samuel bestimmt gut. Der braucht das jetzt. Also machen wir das!‘ “
    Pfleger und Ärzte haben beide Augen zugedrückt. Ich lag allein im Zimmer, sodass wir niemanden gestört haben.
    Meine Klassenkameraden aus Hannover saßen dann also zu neunt um mein Bett. „Das Einprägsamste, was ich noch in Erinnerung habe: Alle hatten gleichzeitig ihre Hände an Samuels Körper – zwei an den Füßen, zwei an den Armen, den Händen, am Kopf!“, sagt meine Mutter. „Sie haben Samuel massiert und bewegt und gestreichelt und gekrault. Als wollten sie ihm ihre Kraft übertragen, als hätten sie sich vorgenommen: Den kriegen wir jetzt wieder auf die Beine!“
    Dieser Besuch ist für mich mit die beste Erinnerung aus diesen ersten Wochen. Meine Kommilitonen waren in der kurzen, aber sehr intensiven Zeit an der Schauspielschule schon längst so etwas wie Geschwister geworden. Sie haben für mich Lieder gesungen, Gedichte aufgesagt und sogar getanzt. Ein umgeschriebenes Lied von Hildegard Knef, „Für dich soll’s rote Rosen regnen, dir sollten sämtliche Wunder begegnen“, und „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ von Dietrich Bonhoeffer. In meiner Situation bekam ein solcher Text eine ganz eigene Bedeutung.
    Selten habe ich mich nach dem Unfall so vital gefühlt wie nach diesem Besuch. Es sind immer Menschen, die guttun. Nicht Organisationen und ihre Regeln. Mein Zimmer in der Klinik, das ich nach der Intensivstation beziehen durfte, zeigte das deutlich. Zwar durften wir an die Wände nichts kleben, geschweige denn Nägel einschlagen, aber meine Geschwister haben es trotzdem geschafft, mithilfe der Magnetwand eine ganze Bildergalerie an die Wand zu zaubern. Sie zeigt vor allem eines: Menschen, die an mich denken.

Chris:
Als Sam in Nottwil war, bin ich so oft wie möglich zu ihm gefahren. Mir war es wichtig, für ihn da zu sein, das gemeinsam zu meistern und ihm zu helfen, ihm

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