Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
zur Kajüte seines Vaters im Heck. Leise betrat er die kleine, niedrige Kammer.
Sein Vater stand über einen Schreibtisch gebeugt und studierte zusammen mit dem Kapitän eine Seekarte.
»Es liegt in Ihrer Hand, uns von hier wegzubringen, Steuermann!«, rief der Kapitän aufgebracht und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Sie sagten doch, Sie kennen diese Gewässer! Ihnen zufolge sollten wir schon vor zwei Wochen ankommen. Vor zwei Wochen! Bei Gott, ich fahre mit diesem Schiff durch jeden Sturm, aber ich brauche eine Richtung! Vielleicht gibt es dieses Japan gar nicht. Vielleicht existiert es nur in der Sage. Vielleicht haben die Portugiesen es erfunden, um uns zugrunde zu richten.«
Jack hatte wie alle Matrosen an Bord von den sagenhaften japanischen Inseln gehört. Unermessliche Reichtümer und exotische Gewürze sollte es dort geben und der Handel mit den Japanern würde sie alle reich machen. Bisher hatten allerdings nur Portugiesen die Inseln betreten und sie wollten den Weg dorthin unbedingt geheim halten.
»Es gibt diese Inseln, Käpt’n«, sagte John Fletcher und öffnete ruhig ein großes, in Leder gebundenes Buch. »Nach meinen Aufzeichnungen liegen sie zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Grad nördlicher Breite. Meinen Berechnungen zufolge sind wir nur wenige Meilen von der Küste entfernt. Sehen Sie hier.«
Er zeigte auf eine grob gezeichnete Karte auf einer Seite des Buches.
»Wir befinden uns in unmittelbarer Nähe der japanischen Hafenstadt Toba – genau hier. Von Toba sind es noch mehrere Hundert Meilen bis zu unserem Bestimmungsort Nagasaki. Der Sturm hat uns weit vom Kurs abgetrieben. Das ist allerdings nicht unser einziges Problem – an diesem Küstenabschnitt wimmelt es meines Wissens von Piraten. Toba ist nicht mit uns befreundet, deshalb wird man uns dort wohl ebenfalls für Piraten halten. Noch schlimmer ist, wie ich von einem Steuermann aus Bantam weiß, dass portugiesische Jesuiten die katholische Kirche eingeführt und wahrscheinlich die Köpfe der Einheimischen vergiftet haben. Selbst wenn wir es bis zur Küste schaffen, würden wir als protestantische Ketzer niedergemetzelt!«
Ein dumpfes Krachen hallte durch den Schiffsbauch und die Planken ächzten. Eine gewaltige Welle hatte gegen die Seite der Alexandria geschlagen.
»In einem solchen Sturm müssen wir auf die Küste zuhalten, Steuermann, egal was es uns kostet. Auch wenn es eine Wahl zwischen Pest und Cholera ist, ich versuche mein Glück lieber bei einem Jesuitenteufel!«
»Ich habe noch einen anderen Vorschlag, Käpt’n. Laut meinen Unterlagen liegen zwei Meilen südlich von Toba einige geschützte, abgeschiedene Buchten. Dort sind wir sicherer, auch wenn der Zugang durch diese gefährlichen Riffe führt.«
Jack sah, wie sein Vater auf einige gezackte Linien auf der Karte zeigte.
Der Kapitän musterte seinen Steuermann scharf. »Glauben Sie, Sie bringen uns da durch?«
John Fletcher legte die Hand auf das Buch. »Mit Gottes Hilfe ja.«
Der Kapitän wandte sich zum Gehen. Sein Blick fiel auf Jack. »Lass uns hoffen, dass dein Vater Recht hat, Junge. Schiff und Mannschaft liegen in seinen Händen.«
Er eilte hinaus. Jack und sein Vater blieben allein zurück.
John schlug das Buch sorgfältig in Öltuch ein und ging damit zu der kleinen Koje in der Ecke der Kajüte. Er hob die dünne Matratze an, öffnete ein verstecktes Fach darunter, legte das Buch hinein und schloss das Fach mit einem Klicken.
»Das bleibt unser kleines Geheimnis, Jack.« Er zwinkerte Jack verschwörerisch zu und zog die Matratze wieder über das Fach. »Das Buch, ein sogenannter Portolan mit Seekarten und Beschreibungen von Seewegen, ist sehr wertvoll. Man darf es auf keinen Fall offen herumliegen lassen. Sobald bekannt wird, dass wir in Japan gelandet sind, ist auch klar, dass wir einen Portolan an Bord haben.«
Jack schwieg und sein Vater musterte ihn besorgt. »Wie geht es dir?«
»Wir schaffen es nicht, oder?«, platzte Jack heraus.
»Natürlich schaffen wir es, mein Sohn«, erwiderte sein Vater ruhig und zog ihn an sich. »Du hast das Toppsegel losgemacht. Mit tüchtigen Leuten wie dir kann uns nichts passieren.«
Jack wollte das Lächeln seines Vaters erwidern, aber er war vor Angst wie gelähmt. Sie hatten schon so viele Stürme durchgemacht, und auch wenn sein Vater meinte, sie hätten ihr Ziel fast erreicht, konnte Jack sich nicht vorstellen, je wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Weder oben in der Takelage noch
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