Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
dampfendem sencha , dem bitteren Grüntee, den die Samurai so gerne tranken.
Masamoto nahm einen kleinen Schluck und ließ die Stille wirken.
Er trug einen feuerroten Kimono, der mit seinem Wappen, einem goldenen Phönix, verziert war, und strahlte absolute Autorität aus. Sowohl die Schüler als auch die anderen Samurai begegneten ihm stets mit tiefster Achtung. Seine Persönlichkeit war so einnehmend, dass Jack die tiefrot vernarbte, entstellte linke Gesichtshälfte, die wie eine Maske aus geschmolzenem Kerzenwachs wirkte, gar nicht mehr wahrnahm. Er sah nur den unbesiegbaren Krieger.
Rechts und links von Masamoto saßen die Lehrer der Niten Ichi Ry ū und zwei weitere Samurai, die Jack nicht kannte.
»Dieses Essen findet zu Ehren unseres Daimyo Takatomi Hideaki statt, des Fürsten der Provinz Kyoto«, fuhr Masamoto schließlich fort und verneigte sich ehrerbietig vor dem Mann links neben ihm.
Auch die Schüler und Lehrer verbeugten sich.
Jack sah den Daimyo, dem er das Leben gerettet hatte, zum ersten Mal. Er hatte ein freundliches Gesicht mit großen, feuchten Augen und einem Zweifingerbart, außerdem einen stattlich gerundeten Bauch und trug einen prunkvollen Kimono, der mit weißen Kranichen, seinen Wappentieren, bestickt war. Zwei Kraniche prangten auf den Ärmeln, zwei auf der Brust und einer auf dem Rücken. Er antwortete auf Masamotos Verbeugung mit einem kurzen, respektvollen Nicken.
Masamoto richtete sich wieder auf. Lehrer, Schüler und zuletzt die neuen Schüler folgten seinem Beispiel.
»Takatomi-sama beehrt uns in Anerkennung unseres Sieges beim Taryu-Jiai gegen Yagyu Ry ū mit seiner Anwesenheit.«
Applaus brach los.
»Außerdem hat er, nachdem wir einen Anschlag auf sein Leben verhindern konnten, seine finanzielle Förderung unserer Schule großzügig erweitert und damit die Zukunft der Schule für alle Zeit gesichert.«
Die Schüler riefen dreimal den Namen des Daimyo und klatschten dazu.
Der Daimyo lächelte erfreut und deutete eine kurze Verbeugung an.
»Außerdem stiftet er der Schule eine neue Übungshalle – die Halle des Falken!«
Die Schüler applaudierten begeistert und begannen aufgeregt durcheinanderzureden. Eine neue Halle bedeutete, dass womöglich noch eine andere Kriegskunst unterrichtet wurde.
Masamoto gebot mit erhobener Hand Schweigen. Sofort verstummten die Schüler und er fuhr fort. »Bevor wir essen, möchte ich euch noch unseren zweiten Gast vorstellen.«
Er wandte sich einem Koloss von Mann zu, dessen runder Schädel von kurzem, schwarzem Haarflaum bedeckt wurde und der einen ähnlich flauschigen Bart trug.
»Sensei Kano ist ein Meister des b ō jutsu an unserer Schwesterschule Mugan Ry ū in Osaka und weilt als Gastlehrer bei uns. Unter seiner Anleitung werdet ihr lernen, den b ō , den Langstock, als Waffe für Angriff und Verteidigung einzusetzen. Sensei Kano hat ein großes Herz und noch größere Fähigkeiten. Ihr könntet euch keinen besseren Lehrer des b ō jutsu wünschen.«
Der neue Lehrer war einen Kopf größer als die anderen Lehrer am Tisch, doch er schien unter Masamotos Lob zu schrumpfen. Er verbeugte sich bescheiden zum Saal hin und starrte mit seinen rauchgrauen Augen ins Leere, als wollte er den Blicken der Schüler ausweichen.
Die Schüler verneigten sich ihrerseits ehrerbietig.
»Ein Letztes: Wie einige von euch wissen werden, sind seit dem letzten Kreis der Drei drei Jahre vergangen …«
Atemlose Spannung senkte sich über die Halle. Die knienden Schüler hatten sich kerzengerade aufgerichtet und hingen an Masamotos Lippen. Nur Jack sah sich ratlos um. Er hatte keine Ahnung, wovon Masamoto sprach. Er blickte fragend zu Akiko hinüber, doch auch sie hatte die Augen unverwandt auf Masamoto gerichtet.
»Alle Schüler, die den Mut und die entsprechenden Fähigkeiten haben, können jetzt zeigen, dass sie es verdienen, Samurai der Niten Ichi Ry ū genannt zu werden. Wer sich beweist, der kann zur Technik der beiden Himmel fortschreiten.«
Jack hatte nur eine vage Vorstellung davon, was die Technik der beiden Himmel war – angeblich eine geheime Kampftechnik Masamotos, die nur die allerbesten Schüler unter Anleitung des großen Samurai persönlich erlernen durften. Worin die Technik bestand, war ein Geheimnis.
»Der Kreis der Drei beginnt, wie es die Tradition vorschreibt, wenn der Wind die Kirschblüten von den Ästen weht«, fuhr Masamoto fort. »Wer von euch glaubt, den drei Prüfungen des Kreises an Geist, Körper und Seele
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