Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
schnitt.
Dieses Schwert dagegen fühlte sich anders an, gewichtiger und weniger harmlos. Es hatte Menschen getötet, sie in zwei Teile geschnitten. Jack spürte seine blutige Geschichte an den Händen.
Allmählich bereute er, dass er es mitgebracht hatte. Er hatte voreilig gehandelt.
Das Schwert in seinen Händen zitterte sichtlich. Der Sensei bemerkte es mit grimmiger Befriedigung. Er nahm ein einzelnes Reiskorn aus seinem inro , dem kleinen hölzernen Kästchen, das er an seinem obi trug, und legte es Yamato auf den Kopf.
»Spalte das in zwei Hälften«, befahl er.
»Wa…was?«, stammelte Yamato mit entsetzt aufgerissenen Augen.
»Doch nicht auf Yamatos Kopf«, protestierte Jack.
»Los!«, befahl Hosokawa und zeigte auf das winzige Korn.
»Aber … aber … ich kann doch nicht …«
»Du glaubst, du könntest verantwortlich mit einem Schwert umgehen – jetzt hast du die Gelegenheit, es zu beweisen.«
»Und wenn ich Yamato verletze?«, rief Jack.
»Genau das heißt es, ein Schwert zu tragen. Ein Schwert verletzt. Und tötet. Spalte das Korn.«
»Ich kann nicht.« Jack senkte das Schwert.
»Du kannst das nicht?«, rief Hosokawa. »Ich als dein Sensei befehle dir, das Reiskorn auf Yamatos Kopf mit einem Schwerthieb zu spalten.«
Er packte Jack an den Händen und zog das Schwert über Yamatos ungeschützten Kopf. Dort lag das winzige Reiskorn, ein kleiner weißer Fleck inmitten des schwarzen Haarschopfs.
Jack wusste, dass die Klinge durch Yamatos Kopf schneiden würde wie durch eine Wassermelone. Seine Arme zitterten unbeherrscht. Yamato sah ihn verzweifelt und kreidebleich im Gesicht an.
»Los!«, befahl Hosokawa. Er hob Jacks Arme, um ihn zum Zuschlagen zu zwingen.
Die anderen Schüler verfolgten das Geschehen schreckensstarr und zugleich fasziniert.
Akiko war die Angst deutlich anzumerken und ihre beste Freundin, Kiku, ein zierliches Mädchen mit schwarzen, schulterlangen Haaren und haselnussbraunen Augen, schien den Tränen nahe.
Kazuki dagegen konnte seine Schadenfreude nicht verbergen. Er stieß seinen Freund Nobu an, einen Jungen mit der Leibesfülle eines kleinen Sumoringers, und flüsterte ihm etwas ins Ohr, aber so laut, dass Jack es hören konnte.
»Ich wette, der Gaijin haut Yamato das Ohr ab!«
»Oder vielleicht die Nase!«, kicherte Nobu. Auf seinem feisten Gesicht breitete sich ein hämisches Grinsen aus.
Zitternd hing das Schwert in der Luft. Jack konnte es kaum noch halten.
»Ich … ich … ich kann nicht«, stotterte er. »Ich würde ihn töten.« Er gab auf und senkte das Schwert.
»Dann tue ich es für dich«, sagte Sensei Hosokawa.
Yamato, der schon aufgeatmet hatte, erschrak.
Blitzschnell zog der Sensei sein Schwert und ließ es auf Yamatos Kopf niederfahren. Die Klinge verschwand in den Haaren und Kiku schrie auf. Ihr Schrei hallte durch den Butokuden.
Yamato fiel nach vorn und schlug mit dem Kopf auf.
Das Reiskorn löste sich aus seinen Haaren und fiel in zwei Hälften auf den Boden.
Yamato verharrte in seiner vornübergebeugten Haltung. Er zitterte unkontrolliert und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Ansonsten war er vollkommen unverletzt. Das Schwert hatte seine Kopfhaut nicht einmal geritzt.
Jack stand bewegungslos da, überwältigt von Sensei Hosokawas Geschick. Was für ein Narr war er gewesen, das Urteil des Lehrers infrage zu stellen! Jetzt wusste er, was für eine Verantwortung der Umgang mit einem Schwert mit sich brachte. Die Entscheidung über Leben und Tod lag buchstäblich in seinen Händen. Ein Schwert war kein Spielzeug.
Sensei Hosokawa musterte ihn streng. »Solange du das Schwert nicht vollkommen beherrschst«, sagte er und steckte sein Schwert wieder ein, »bist du nicht befähigt, ein richtiges Schwert zu tragen. Für den Weg des Schwertes bist du noch nicht bereit.«
5
Der Kreis der Drei
»Samuraischüler!«, rief Masamoto laut durch die Halle der Schmetterlinge. Der offizielle Speisesaal war mit Holz getäfelt und trug seinen Namen zu Recht: Die Wandverkleidung war mit prachtvoll gemalten Schmetterlingen geschmückt.
Die Schüler, die in langen, schnurgeraden Reihen vor dem Schwertmeister knieten, richteten sich stocksteif auf, um seiner Eröffnungsansprache zu lauschen. Jack, dessen Beine vom Knien schon taub wurden, reckte den Kopf, um das Geschehen besser verfolgen zu können. Masamoto saß auf seinem gewohnten erhöhten Platz an einem niedrigen Tisch aus schwarz lackiertem Zedernholz. Auf dem Tisch standen Tassen mit
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