Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
könnte, wenn er es hätte. Und das darf ich nicht riskieren. Ich will ihn schützen , Yamato. Solange Drachenauge glaubt, dass ich es habe, ist er wenigstens nur hinter mir her. Deshalb dürfen wir niemandem davon erzählen.«
Jack sah, wie sein Freund hin und her überlegte, und befürchtete einen schrecklichen Moment lang schon, er würde seinen Vater trotzdem von dem Buch in Kenntnis setzen.
»Also gut«, nickte Yamato schließlich. »Ich verspreche, dass ich nichts sage. Aber warum glaubst du eigentlich, dass Drachenauge noch einmal versuchen wird, an das Buch zu kommen? Wir haben ihn nicht mehr gesehen, seit er auf dem Gion-Fest versucht hat, Daimyo Takatomi zu ermorden. Vielleicht ist er tot. Akiko hat ihn ziemlich schwer verletzt.«
Jack erinnerte sich noch, wie Akiko ihm in jener Nacht das Leben gerettet hatte. Sie hatten den Ninja dabei beobachtet, wie er in die Burg Nijo eindrang, den Wohnsitz von Fürst Takatomi, und waren ihm gefolgt. Der Ninja hatte Jack die Waffe aus der Hand geschlagen und wollte ihm gerade den Arm abhauen, als Akiko ihr Kurzschwert nach ihm geworfen hatte. Das Schwert hatte sich in die Seite des Ninja gebohrt, doch der war lediglich zusammengezuckt. Er hatte nur deshalb nicht zurückgeschlagen, weil Masamoto und seine Samurai gerade noch rechtzeitig eingetroffen waren. Drachenauge war über die Burgmauer geflohen, hatte aber zuvor gedroht, er werde wiederkommen und das Buch holen.
Die Drohung verfolgte Jack immer noch und er zweifelte keinen Moment daran, dass Drachenauge sie wahr machen würde. Irgendwo da draußen wartete der Ninja auf ihn.
Akiko hatte Recht. In der Schule stand Jack unter Masamotos Schutz und war sicher. Außerhalb der Schulmauern dagegen drohte ihm Gefahr. Wenn er allein reiste, konnte er schon von Glück sagen, wenn er überhaupt lebend aus der Stadt herauskam.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in Kyoto zu bleiben und weiter an der Samuraischule zu lernen. Wenn er die Reise nach Hause überleben wollte, musste er den Weg des Schwertes beherrschen.
Solange er keine andere Wahl hatte, konnte er sich durchaus dafür begeistern, seine Fähigkeiten als Samurai zu schulen. Die Disziplin und die Tugenden des Bushido und die Vorstellung, mit einem echten Schwert zu kämpfen, faszinierten ihn.
»Drachenauge ist irgendwo da draußen unterwegs«, sagte er. »Er wird kommen.«
Er streckte den Arm aus, nahm den Daruma in die Hand, sah ihm fest ins Auge und erneuerte feierlich seinen Wunsch.
»Aber wenn er das nächste Mal kommt, bin ich bereit.«
4
Ein Reiskorn
»Warum bringst du dein Schwert mit?«, fragte Sensei Hosokawa barsch. Er war ein streng aussehender Samurai mit einem einschüchternden Blick und einem Bart, der wie ein Stachel geformt war.
Jack sah auf das Langschwert in seiner Hand hinunter. Die lackierte schwarze Scheide, in der die messerscharfe Klinge steckte, blitzte im Morgenlicht. Durch die unerwartet feindseligen Worte des Schwertlehrers aus der Fassung gebracht, strich er nervös mit dem Daumen über das goldene Phönix-Wappen, das in der Nähe des Griffs eingearbeitet war.
»Weil … weil wir jetzt Unterricht in kenjutsu haben, Sensei«, antwortete er schulterzuckend, weil ihm keine bessere Antwort einfiel.
»Haben die anderen Schüler ihre Schwerter dabei?«
Jack warf einen Blick auf die anderen Schüler, die entlang einer Wand des Butokuden knieten. Die Halle der Kriegstugenden, in der sie im Schwertkampf und im waffenlosen Kampf unterrichtet wurden, ähnelte einer riesigen Höhle. Hoch über den Köpfen der Samuraischüler schwebte die holzgetäfelte Decke, die auf gewaltigen Pfeilern aus dunkelbraunem Zypressenholz ruhte.
Jack fühlte sich wieder einmal daran erinnert, wie sehr er sich von den anderen Schülern unterschied. Obwohl noch keine vierzehn wie die meisten, war er trotzdem der Größte. Außerdem hatte er himmelblaue Augen und einen blonden Haarschopf, der wie eine Goldmünze aus dem einheitlichen Schwarz seiner Mitschüler herausstach. Für die Japaner mit ihrer olivenfarbenen Haut und den mandelförmigen Augen mochte er ein Samuraischüler sein, aber er blieb doch immer ein Fremder – ein Gaijin, wie seine Feinde ihn verächtlich nannten.
Er sah sich um. Kein einziger Schüler hatte ein richtiges Schwert dabei. Sie hielten alle nur den bokken , das hölzerne Übungsschwert.
»Nein, Sensei«, antwortete er verlegen.
Am Ende der Reihe grinste ein gut aussehender, doch herrisch wirkender Junge mit kahl rasiertem
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